Mittelständische, nicht börsennotierte Unternehmen sind vorwiegend mit kurz laufenden Zins- und Kreditfristen, rein durch Banken und Sparkassen finanziert. Es werden auch alternative, aber meist ebenfalls bankgebundene Finanzierungsbausteine wie Anlagenleasing und Factoring genutzt.
Grenzen der Nutzung des Kapitalmarkts
Die Nutzung des Kapitalmarktes für die Fremdkapitalaufnahme ist für die meisten Unternehmen, die einen Umsatz deutlich unter einer Milliarde Euro verzeichnen aktuell in weiter Ferne. Die absolute Untergrenze für eine Emission liegt theoretisch bei 100 Mio. EUR. In der Praxis gibt es solche Emissionen nur selten. Dies hängt mit den teilweise volumensunabhängigen Einmalkosten und der schlechteren Platzierbarkeit von kleinen Emissionen zusammen. Meist beginnen die tatsächlichen Emissionsvolumen bei 300 Mio. EUR und durchbrechen auch die Milliardenschwelle.
Ein aktuelles Ausnahmebeispiel für eine kleine Debüt-Anleihe ist der Kunststoffhersteller Borealis AG. Am 22. April diesen Jahres erfolgte die öffentliche Emission der Unternehmensanleihe mit einem Gesamtvolumen von 200 Mio. EUR. Sie hat eine Laufzeit von sieben Jahren und ist mit 5,5% p.a. (Credit Spread rund 270 Basispunkte) verzinst. Nach der zuletzt schwierigen Geschäftssituation im Jahr 2009 hat sich das Unternehmen stabilisiert und investiert stark. Die Gesamtverschuldung liegt bei rund einer Milliarde Euro. Die Gesellschafter der Borealis AG sind die österreichische OMV und das Emirat Abu Dhabi. Anleger zeichnen damit ein höher verzinstes OMV-Risiko.
Die öffentlich notierte Unternehmensanleihe als ein bankenunabhängiges Finanzierungsinstrument ist also für die meisten großen, privat gehaltenen Mittelständler nicht erreichbar. Welche weiteren Finanzierungsformen führen zu einer Neuordnung der Finanzierungsstruktur?
Konsortialfinanzierung als Alternative zum Kapitalmarkt?
Bankenkreise mittelständischer Unternehmen sind historisch gewachsen. Die Banken stellen unterschiedliche Anforderungen an Kreditgestaltung, Besicherung und laufendes Reporting. Auch ändert die sich im Zeitverlauf Risikosichtweise von Banken gegenüber ihren Firmenkunden. Dies hängt von Situation und Struktur der einzelnen Bank ab. Der Aufwand für das individuelle bedienen sich ändernder Anforderungen ist hoch.
Aktuell werden Gespräche über die kommende Zinsentwicklung und eine mittel- und langfristige Restrukturierung bestehenden Finanzierungen geführt. Häufig führt eine Neuordnung der Finanzierungsstruktur zu einer Konsortialfinanzierung, d. h. der Bankenkreis wird durch eine das Konsortium führende Bank vertreten. Dieses Institut entwirft ein einheitliches Vertragswerk in dem
-Kreditbedingungen
-Besicherung
-Informationspflichten
-Financial Covenants
einheitlich geregelt werden. Bei der Konsortialfinanzierung wird auch die Verteilung und Bewertung der insgesamt vorhandenen Sicherheiten – entsprechend den Gesichtspunkten von Basel II – neu vorgenommen. Was machen mittelständische Unternehmen, die ihren Investorenkreis für die Aufnahme von Fremdkapital über bestehende Bankverbindungen hinaus erweitern wollen?
Schuldscheindarlehen als Schritt zur Diversifizierung der Fremdkapitalfinanzierung
In Deutschland erhöht sich die Akzeptanz von Schuldscheindarlehen weiter. Investoren in Schuldscheindarlehen sind neben Banken und Sparkassen auch Versicherungen und Vorsorgungskassen. Sie schätzen beim Investment in Schuldscheindarlehen insbesondere das diese keinen Kursschwankungen unterliegen. Herr Zender, bei der LBBW verantwortlich für Kapitalmarktfinanzierungen von Unternehmen: „Unternehmen können die sehr stabile Investorennachfrage für sich aktiv nutzen. Wir erwarten ein Gesamtmarktvolumen für 2010 zwischen 5 - 8 Mrd. EUR, nach zwei Rekordjahren in 2008 mit rund 20 Mrd. und 2009 mit rund 16 Mrd.“ Im Jahr 2009 sind angabegemäß rd. 65 Schuldscheintransaktionen im deutschen Markt platziert worden. Zu den Unternehmen, die wiederholt den Schuldschein als Finanzierungsinstrument nutzen, gehören: Fresenius, Rheinmetall, Freudenberg, Celesio und Fuchs Petrolub.
Für die Emission eines Schuldscheindarlehens ist kein externes Rating notwendig. Das Vertragswerk ist einem Kreditvertrag ähnlich und enthält übliche Zusicherungen: Pari Passu, Negative Pledge, Cross-Default, Kontrollwechsel, Asset Disposal. Der Einsatz von Financial Covenants, wie z. B. den Verschuldungsgrad (Net Debt/EBITDA), erfolgt fallweise; im Gegensatz zum Konsortialkredit stellen Finanzkennziffern keine „Conditio sine qua non“ dar. Die Laufzeiten liegen zwischen drei und sieben Jahren; bei sehr bonitätsstarken Adressen sind auch 10 Jahre möglich. Interessant ist, dass es im Gegensatz zu einer Unternehmensanleihe möglich ist, verschiedene Laufzeittranchen zu bilden. Auch Tilgungsstrukturen können nach einer anfänglichen tilgungsfreien Zeit von zwei bis drei Jahren vereinbart werden.
Vorteile aus Unternehmenssicht
-Erweiterung der Investorenbasis für die Aufnahme von Fremdkapital.
-Geringere Emissionsvolumen möglich.
-Im Vergleich zu einer Anleiheemission geringere Gesamtkosten (Keine Kosten für Rating, Prospekt, Zahlstellenkosten).
-Neben den im Schuldscheinvertrag vereinbarten Informationspflichten ist keine Publizitätspflicht vorhanden.
-Es sind – wie bei einer Unternehmensanleihe – keine Sicherheiten zu stellen.
-Die Investoren sind, im Vergleich zu den Inhaberpapieren einer Anleihe, bekannt.
-Konditionen und Bedingungen von begebenen Schuldscheinen werden nicht veröffentlicht.
-Der zeitliche Aufwand für die Begebung eines Schuldscheindarlehens ist mit rund 10 bis 12 Wochen auch im Vergleich zu Kreditentscheidungsprozessen oder der Vorbereitung und Durchführung von öffentlichen Emissionen sehr effizient.
-Es ist keine Bilanzierung nach IRFS notwendig.
Es wird deutlich – die Schuldscheinbegabe verbindet viele kapitalmarktbezogene Vorteile einer Unternehmensanleihe mit der Diskretion einer Kreditfinanzierung. Auch kann auf die Auswahl der Investoren Einfluss genommen werden. Herr Zender weist darauf hin, dass die Eintrittsbarriere für die Kapitalbeschaffung über Schuldscheine vergleichsweise gering ist: „Das Mindestvolumen liegt bei 10 Mio. EUR“.
Welche Unternehmen eignen sich für Schuldscheine?
Geeignet sind Unternehmen mit nachhaltig am Markt positionierten Geschäftsmodellen und einer plausiblen Story, die sich auch in der Unternehmensentwicklung niederschlägt. Die Nachvollziehbarkeit der Entwicklung kommt Unternehmen auch bei der Konditionsfindung entgegen. Herr Zender sagt hierzu: „Die Schuldschein-Konditionen (Credit Spreads) entwickeln sich weniger volatil als am Anleihemarkt und Investoren orientieren sich stärker an der einzelnen Unternehmensentwicklung für ihre Investitionsentscheidung.“ Der in der Vergangenheit bestehende Konditionsaufschlag gegenüber einer Unternehmensanleihe geht aktuell marktbedingt zurück.
Wie ist die Vorgehensweise bei der Platzierung eines Schuldscheindarlehens?
Die Strukturierung und Platzierung von Schulscheindarlehen erfolgt über Geschäfts- und Landesbanken. Die einzelnen Banken verfügen über unterschiedliche Zugänge zu Investoren und Investorengruppen. Sie haben damit auch eine unterschiedliche Fähigkeit Schuldscheindarlehen zu platzieren. Laut Herrn Zender ist das Investoreninteresse an Schuldscheinen weiter sehr hoch: „Wir gehen davon aus, das die Anzahl mittelständischer Unternehmen, die via Schuldscheindarlehen den Kapitalmarkt nutzen, in 2010 weiter zunehmen wird. Dies gilt sowohl für Debüt- als auch für Folgetransaktionen. Wir erwarten häufiger Transaktionen mit einem Volumen von unter 100 Mio. EUR; insbesondere wenn:
a) Wachstums- und Akquisitionsmöglichkeiten von Mittelständlern nach der Krise nur noch bedingt vom bisherigen Hausbankenkreis finanziert werden,
b) die Zahl zur Verfügung stehender Banken (Fusionen; Konsolidierungen; teilweise Rückzug von Auslandsbanken) sich weiter reduziert.
Insbesondere bei der Unternehmensdarstellung gegenüber der platzierenden Bank, bei der Auswahl derselben und bei der Gestaltung des Schuldscheindarlehens ist gerade für Unternehmen, die dieses Instrument erstmals nutzen die Begleitung und Beratung durch einen Corporate Finance Berater sinnvoll.
