YAML | Example "3col_advanced"
Anzeige

Anzeige
Anzeige
Anzeige

Wer denkt hier irrational?

Kolumne Valentijn van Nieuwenhuijzen, ING Investment Management

Sieht man einmal von den europäischen Peripherieländern ab, so liegen die Renditen von Staatsanleihen nahe ihren Allzeittiefständen. In Deutschland sind die Renditen auf das Niveau zurückgekehrt, das im vergangenen Jahr während der ersten Auflage der Euro-Krise verzeichnet wurde, in den USA entsprechen die Treasury-Renditen denjenigen während der Weltwirtschaftskrise und in Großbritannien sind die GILT-Renditen so niedrig wie seit 200 Jahren nicht mehr. Diese bemerkenswerte Entwicklung ist auf systemische Befürchtungen und Besorgnis über das künftige Wachstum zurückzuführen.

Manche Beobachter sind noch immer der Auffassung, dass die bisher einmalig lockere Geldpolitik zu beträchtlichen Inflationsrisiken (und höheren Renditen von Staatsanleihen) führen werde oder dass es wegen der hohen Beanspruchung der öffentlichen Finanzen kurzfristig zu Befürchtungen im Bezug auf Zahlungsfähigkeit kommen könne (was die Renditen von Staatsanleihen ebenfalls nach oben treiben würde). Die jüngsten Entwicklungen an den Märkten sollten ihnen jedoch deutlich vor Augen führen, dass sie sich in Bezug auf die treibenden Kräfte an den Märkten geirrt haben. Einige von ihnen werden wohl argumentieren, dass die Renditen wegen der Besorgnis über die Inflationsentwicklung und/oder die Zahlungsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt ansteigen werden und dass sich die Märkte lediglich vorübergehend irrational verhalten.

Die meisten Fiskalpolitiker scheinen ganz eindeutig diese Auffassung zu vertreten, denn die europäischen Kernländer, Großbritannien und die USA bereiten sich auf umfangreiche fiskalpolitischen Einschnitte vor, um die öffentlichen Finanzen zu verbessern, bevor die Märkte ihre Meinung ändern und höhere Risikoprämien von den Staaten verlangen, die sich derzeit zu rekordniedrigen Zinsen verschulden können.

Zumindest lässt sich das derzeitige Verhalten der Fiskalpolitiker kaum anders deuten. Wenn der Markt beim derzeitigen Preisniveau völlig rational agierte, könnten die politischen Verantwortungsträger das derzeit niedrige Niveau der Anleiherenditen als Beweis für das Vertrauen in ihre langfristige Glaubwürdigkeit ansehen. In diesem Fall wäre es rational, wenn die Politiker die niedrigsten je gesehenen Finanzierungskosten nutzten, um die Endnachfrage zu stimulieren – zumal ihre Volkswirtschaften wieder am Rand einer Rezession stehen. Nicht zuletzt (aber sicherlich nicht nur), weil eine neue Rezession nur zu einer Verschlechterung der Staatsfinanzen und nicht zu ihrer Verbesserung führen würde.

Dementsprechend verhält sich der Markt in den Augen der Fiskalpolitiker irrational. Diese verfolgen in den kommenden beiden Jahren einen aggressiven Sparkurs, um zu vermeiden, dass sie von sehr viel höheren Finanzierungskosten in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Märkte wieder vernünftig handeln. Nur: Wenn der Markt derzeit bei der Preisfestsetzung irrational handelt, bietet sich doch eine einmalige Gelegenheit, diese fehlerhafte Einschätzung von Risiken auszunutzen. Ein rationaler Kreditnehmer würde erkennen, dass man von dieser Chance am besten profitieren kann, indem man eine vorübergehend höhere Kreditaufnahme zu irrational niedrigen Kosten mit glaubwürdigen Maßnahmen zur Senkung der künftig erwarteten Kreditaufnahme kombiniert. Letzteres könnten die Regierungen im Euroraum, in Großbritannien und den USA vor allem tun, indem sie die Finanzierungslücken für künftige Verbindlichkeiten im Rahmen der Renten- und Krankenversicherung verringern.

Bei diesem Ansatz würden die durchschnittlichen Kreditkosten kurz- und langfristig sinken, was schon für sich genommen die Aussichten für die Zahlungsfähigkeit der entsprechenden Regierung verbessern würde. Außerdem kann die kurzfristige, vorübergehende Verschuldung für fiskalpolitische Impulse für die Konjunktur verwendet werden, was eine erneute Rezession verhindern oder abmildern könnte. Das günstigere wirtschaftliche Umfeld und die Nutzung produktiver Ressourcen, die ansonsten brachlägen, dürften dazu beitragen, die negativen Auswirkungen der zusätzlichen Kreditaufnahme auf die staatlichen Finanzen abzufangen. Dies führt zu niedrigeren Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung und zu einem höheren Einkommen der Unternehmen und der privaten Haushalte, was die negativen Auswirkungen der Kreditaufnahme zu Stimulierungszwecken in den kommenden beiden Jahren dämpfen sollte.

Diese Argumentation zeigt, warum die derzeitige Reaktion der Fiskalpolitiker zur Bekämpfung der schlechten Haushaltslage und der zunehmenden Rezessionsrisiken Fragen aufwirft. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder glauben die Politiker, dass die Märkte rational handeln, und nutzen das Vertrauensvotum der Märkte, um die Wirtschaft zu stützen, oder sie sind davon überzeugt, dass die Märkte irrational sind, und nutzen die sich daraus ergebenden, günstigen Finanzierungsmöglichkeiten, um die Wirtschaft mindestens so lange zu stützen, wie der Markt irrational bleibt. Was auch immer man von der Rationalität der Märkte hält: eine weitere Runde vorübergehender fiskalpolitischer Impulse scheint in jedem Fall die beste politische Entscheidung zu sein.

Dass die Fiskalpolitiker in den Kernländern des Euroraums, in Großbritannien und in den USA zu einem anderen Ergebnis kommen, ist insofern etwas verwirrend und trägt zu dem jüngsten Anstieg der Rezessionswahrscheinlichkeit in diesen Regionen bei. Grund für diese Verwirrung ist die Annahme, die politischen Verantwortungsträger würden schon rational auf das Marktumfeld reagieren, mit dem sie konfrontiert sind. Vielleicht ist aber gerade diese Annahme der irrationale Faktor in unserer eigenen Analyse.

Valentijn van Nieuwenhuijzen

Investment

von Svein Aage Aanes, Head of Fixed Income bei DNB Asset Management

Die geo­politischen und poli­tischen Nach­richten waren im Jahr 2025 recht massiv – anhaltender Krieg in der Ukraine, instabiles Zoll­system der USA,…
Weiterlesen
Investment
Der KI-Hype und die hohen Aktien­gewinne drängten Anleihen 2025 etwas in den Hinter­grund. Dabei ent­sprachen ihre Erträge den seit 2023 wieder…
Weiterlesen
Investment

von Boutaina Deixonne, Head of Euro IG and HY Credit bei AXA Investment Managers

Die europäischen Märkte blieben in den letzten Jahren von zahl­reichen Volatilitäts­spitzen nicht verschont. Trotz des schwierigen Umfelds konnten…
Weiterlesen
Investment

von Robert Ostrowski, CIO, Federated Hermes

Die Anleihe­märkte starten mit einer Fülle unbe­ant­worteter Fragen ins neue Jahr. Vor 12 Monaten hatten wir eine Wieder­holung der Situation nach der…
Weiterlesen
Investment

Fehlender Reformwille bürdet Rentenbeitrags- und Steuerzahlern einseitig die Lasten des Demografiewandels auf und gefährdet den Wirtschaftsstandort…

Der Bundestag hat heute nach langem Ringen dem Renten­paket der Bundes­regierung zuge­stimmt. Dieses sieht unter anderem die Fest­schreibung der so…
Weiterlesen
Investment

Allianz Private Debt Secondaries Fund II (ADPS II) erreicht inklusive aller Investmentvehikel das erste Closing bei 1,2 Mrd. Euro

Allianz Global Investors (AllianzGI) hat das erste Closing des Allianz Private Debt Secondaries Fund II (ADPS II) inklusiver aller Invest­ment­vehikel…
Weiterlesen
Investment

von Simon Hallett, Head of Climate Strategy bei Cambridge Associates

Sind die Invest­ment­chancen im Energie­sektor aus­gereizt oder bietet der Sektor auch 2026 noch Chancen für Inves­toren? Der Energie­sektor bietet…
Weiterlesen
Investment

von Wouter Van Overfelt, Head of Emerging Markets Fixed Income, Vontobel

Das Umfeld für Schwellen­länder­anleihen bleibt 2026 ausge­sprochen attraktiv. Nach drei Jahren anhal­tender Abflüsse erleben wir nun wieder deutliche…
Weiterlesen
Investment

von Robert Tipp, Chief Investment Strategist und Head of Global Bonds bei PGIMs Fixed Income Business

Im unruhigen Umfeld der globalen Anleihe­märkte, die ein Volumen von 145 Billionen US-Dollar aus­machen, erweisen sich die Anleihen der Euro­zone als…
Weiterlesen
Investment

vom PGIM Fixed Income Team

Die Markt­preise für eine Zins­senkung oder Zins­pause der Fed im Dezem­ber waren vor der Veröffent­lichung des Berichts über die…
Weiterlesen
Anzeige

Neue Ausgabe jetzt online!