Die USA haben in den letzten Jahren eine Blütezeit erlebt – und sich trotzdem zuletzt von den Grundpfeilern dieses Erfolges entfernt, um eine neue Ära einzuläuten. Werner Krämer, Geschäftsführer und Senior Economic Analyst bei Lazard Asset Management Deutschland, analysiert die Gefahren der neuen Weltordnung für das Flaggschiff der Weltwirtschaft.
Seit 2008 seien die Vereinigten Staaten der große Gewinner der Weltwirtschaft gewesen, rechnet Krämer vor: „Im Vergleich zu den G7-Staaten sahen wir hier die beste Entwicklung beim Bruttosozialprodukt und bei der Arbeitsproduktivität. Die USA führen bei Innovation und auf dem Aktienmarkt, bei der militärischen Stärke und bei der Soft Power, also kulturelle Werte und positive Außenwahrnehmung. In den letzten 17 Jahren haben die USA ein goldenes Zeitalter erlebt.“
Eine zweite Ära
Obwohl das Land in hohem Maße von der Globalisierung und vom Freihandel profitiert habe, kehre es genau diesen Grundlagen den Rücken. Freie Universitäten und freie Finanzmärkte würden genauso in Frage gestellt wie verbindliche und regelgebundene Abkommen der Staaten untereinander. „Was wir derzeit erleben, ist nichts weniger als eine neue Weltordnung“, sagt Krämer. „Selbst Maßnahmen, die von den Märkten normalerweise begrüßt werden – wie Steuersenkungen –, führen nun zu gravierenden Ungleichgewichten. Die Sonderstellung der USA gerät zunehmend in Gefahr“, so der Ökonom.
Laut Krämer treiben diese Steuersenkungen die Staatsverschuldung in die Höhe, während Maßnahmen im Bildungswesen, in der Medienlandschaft und die Einwanderungsstopps die Soft Power und den Arbeitsmarkt der USA gefährden.
„Wir sehen eine globale Wachstumsabschwächung, die in den USA besonders ausgeprägt ist. Durch die Fiskalpolitik, die Zölle und die ausbleibende Zuwanderung kommt es zur Reflationierung“, so Krämer. „Daraus könnte eine Renaissance Europas, Japans und der Emerging Markets als eine Art Gegendruck entstehen – aber das muss sich noch zeigen. Hinzu kommt: Die neue Weltordnung ist auf Schulden gebaut.“ Die Ausgaben für die Zinslast (zuletzt rund 1,1 Milliarden US-Dollar/Jahr) überträfen inzwischen die Ausgaben für Verteidigung (zuletzt rund 855 Milliarden US-Dollar/Jahr).
Währungen in Schieflage: US-Dollar so schwach wie zuletzt 1971
Mit Sorge betrachtet Werner Krämer auch die Entwicklungen an den Währungsmärkten. US-Dollar und britisches Pfund seien Hochzinswährungen – und lägen trotzdem „am Boden“. Als Anlagealternative würden Gold, Bitcoin und der Schweizer Franken haussieren. Diese Entwicklung betrachtet der Volkswirt mit zunehmender Sorge, denn: „Sollte die Rolle des US-Dollar als Reservewährung ernsthaft infrage gestellt werden, wären wir in einer anderen Welt." Aktuell fehle es an einer ernsthaften Alternative, insbesondere da der Rohstoffhandel in US-Dollar abgewickelt würde. Aber die Lage sei ernst: „Das erste Quartal 2025 ist für den US-Dollar in der Breite – nicht nur gegenüber dem Euro – das schlechteste seit 1971 gewesen.“
Im Gegensatz zu den starken Auswirkungen auf die Währungen zeige sich der Anleihenmarkt eher unbeeindruckt. Auffällig seien hier vor allem die Credit Spreads, sagt Krämer: „Credit Spreads zeigen den Aufpreis, den Emittenten für ein höheres Risikoprofil zahlen müssen. Doch der Unterschied zwischen vermeintlich sicheren Staatsanleihen und anderen Bonds ist historisch gering – und in den USA ist der Spread sogar noch enger als in Europa. Hier zeigt sich, dass Investoren den US-amerikanischen Schuldenberg durchaus kritisch sehen und die Finanzierung für die USA teuer wird.“
www.fixed-income.org
