An den Anleihenmärkten ist inzwischen etwas Ruhe eingekehrt: Die Volatilität ist rückläufig und der Renditeanstieg bei langen Laufzeiten ist erstmal zum Stillstand gekommen. Dennoch sind Investoren derzeit immer noch vorsichtig positioniert. Aus charttechnischer Sicht ist das Bild für US-Treasuries leicht positiv, wobei sich die 10-jährigen Treasury-Renditen an einer wegweisenden Marke befinden. Die Renditen deutscher Bundesanleihen hingegen dürften sich weiterhin in einer Seitwärtsrange bewegen. Unabhängig davon sind Anleihen derzeit unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten eine attraktive Alternative zu Dividendenaktien.
Die Lage an den Anleihenmärkten hat sich in den vergangenen Wochen etwas beruhigt. Der signifikante Anstieg der Renditen lang laufender deutscher Bundesanleihen, US-Treasuries, Gilts und JGBs ist zum Stillstand gekommen. Teilweise sanken die Renditen der 30-jährigen Staatsanleihen sogar leicht. Auch an den Spreadmärkten ist Ruhe eingekehrt: Die Risikoprämien französischer und italienischer Staatsanleihen sanken seit September um etwa 10 Basispunkte, was auf ei-ne allgemein positivere Stimmung am Anleihenmarkt schließen lässt. Diese positiven Aspekte führten zu einer rückläufigen Volatilität der Anleihen, was am MOVE-Index deutlich wird, der aktuell noch bei 80 Punkten notiert. In den vergangenen drei Jahren lag er durchgehend über 100 Punkten. Vergleicht man den VIX-Index als Maß für die Aktienvolatilität mit dem MOVE-Index als Maß für die Anleihenvolatilität, ist Letzterer historisch betrachtet aktuell auf einem moderateren Niveau. Anleihen könnten in diesem Umfeld wieder an Attraktivität gewinnen und Investoren anlocken.
Anleihen profitieren nur noch zeitweise von unsicheren Marktphasen
Dagegen spricht jedoch die positive Preisdynamik bei Edelmetallen, allen voran Gold. So haben Anleihen den Status als sicherer Hafen seit dem starken Zinsanstieg im Jahr 2021/2022 teilweise an Gold abgegeben. Seither profitiert das Edelmetall von unsicheren Marktphasen, während An-leihen bestenfalls temporär profitieren. Dies wird auch durch Daten der Commodity Futures Trading Commission bestätigt. Demnach sind die Short-Positionen für 10- und 2-jährige US-Treasury-Futures mit 67% und 75% relativ zu den insgesamt ausstehenden Positionen immer noch auf historischen Höchstständen. Sollte sich dieses Verhältnis künftig zugunsten der Long-Positionen verschieben, würden Anleihen – allen voran US-Treasuries – großes Performancepotenzial bieten. Zentralbankseitig ist das Überraschungspotenzial groß. So sind bis Dezember 2027 drei Zinssenkungen der Fed eingepreist, während die Finanzmarktteilnehmer für die Eurozone in diesem Zeitraum weder Zinssenkungen noch Zinsanhebungen erwarten. Die wegen des Shutdowns feh-lenden Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten könnten zu Bewegung am Zinsmarkt führen, sobald sie nachgeliefert werden.
Die Wahrscheinlichkeit für eine US-Rezession bis Dezember 2026 ist gemäß der US-Wettplattform Polymarket wegen der robusten Konjunkturdynamik in den vergangenen Wochen auf 38% gefallen. Diese Wahrscheinlichkeit sollte in den kommenden Wochen beobachtet werden, wenn die jüngsten US-Konjunkturdaten publiziert werden. Aktuell scheint die Wirkung der Zölle auf die Konjunktur und die Inflation eher moderat auszufallen.
Risiko-Ertrags-Profil spricht für Anleihen
Gemessen an der laufenden Rendite bieten Anleihen im Vergleich mit Dividendenaktien ein besseres Risiko-Ertrags-Profil. So lässt sich mit dem Eurostoxx, der die rund 300 liquidesten Aktien der Eurozone umfasst, eine erwartete Dividendenrendite von 3,0% vereinnahmen. Dies liegt auf dem Renditeniveau 10-jähriger europäischer Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Investiert man in den breiten EUR-Anleihenmarkt mit 1- bis 10-jährigen Anleihen, so liegt die jährliche Rendite bei 2,7%. Für die USA ist der Vergleich noch attraktiver: Während der Dividendenindex »Dow Jones Select Dividend Index« eine Dividendenrendite von 4,0% erwarten lässt, bietet der US-Anleihenmarkt für 1- bis 10-jährige Anleihen eine Rendite auf Endfälligkeit von 4,2% p.a. Da-mit sind Anleihen für sicherheitsbewusste Anleger eine attraktive Alternative zu Dividendenak-tien.
US-Treasuries derzeit an wegweisender Renditemarke
Charttechnisch befinden sich die US-Treasury-Renditen seit Mai 2025 im Abwärtstrend. Alle gleitenden Durchschnitte – mit Ausnahme des 5-Tages-Durchschnitts – deuten auf weiter fallende Renditen hin. Übergeordnet ist das charttechnische Bild des fallenden Dreiecks zu erkennen. So sind die 10-jährigen Renditen bereits mehrfach an der 4,00%-Marke nach oben abgeprallt, während der übergeordnete Abwärtstrend gehalten hat. So könnte es in den kommenden Wochen zu einem Ausbruch unter die 4,00%-Marke oder aus dem Abwärtstrend zu einem Ausbruch nach oben kommen. Der MACD-Indikator deutet noch auf fallende Renditen hin, schwankt aber um die Nulllinie und hat daher nur beschränkte Aussagekraft. Sollten die Renditen unter die 4,00%-Marke fallen, so wäre der Weg bis auf 3,80% frei (zyklisches Tief). Würde auch diese Marke unterschritten, dann wären die zyklischen Tiefs vom September 2024 bei 3,60% die dann relevante Unterstützung. Würde hingegen der Abwärtstrend nach oben durchschnitten, dürfte zunächst die 200-Tage-Linie bei 4,30% getestet werden. Entsprechend ist das charttechnische Bild moderat positiv.
Renditen deutscher Bundesanleihen in volatiler Seitwärtsbewegung
Die Renditen 10-jähriger deutscher Bundesanleihen befinden sich hingegen in einer volatilen Seitwärtsbewegung: Seit März 2025 schwanken die Renditen zwischen 2,50% und 2,80%. Die mittel- bis langfristig orientierten trendfolgenden Indikatoren liefern damit keine zufriedenstellenden Ergebnisse. Bis auf Weiteres ist eine Fortsetzung der Seitwärtsrange zu erwarten. Die 200-Tage-Linie notiert bei 2,60% und damit in etwa der Mitte der Handelsspanne. Für einen weiteren Aus-bruch aus der Range sind neue Impulse von Inflation, Konjunktur oder Geopolitik erforderlich. Bis dahin bleibt die Charttechnik für die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen-Renditen neutral.
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