Die Formycon AG, ein führender, unabhängiger Entwickler von hochwertigen Biosimilars, Nachfolgeprodukten biopharmazeutischer Arzneimittel, begibt eine vierjährige Anleihe im Volumen von bis zu 50 Mio. Euro. Biosimilars werden weiter an Bedeutung gewinnen, weil der Kostendruck auf die Gesundheitssysteme sehr hoch ist, wie Enno Spillner erläutert. Formycon ist in dem wachsenden Markt gut positioniert und möchte idealerweise 2026 auf EBITDA-Basis profitabel sein.
BOND MAGAZINE: Sie platzieren öffentlich eine Anleihe. Das ist in Ihrer Branche eher ungewöhnlich. Weshalb haben Sie sich für die Emission einer Anleihe entschieden?
Spillner: Wir sind kein klassisches Biotech-Unternehmen. Im Vergleich dazu ist unser Geschäftsmodell deutlich planbarer und risikoärmer. Wir entwickeln keine neuartigen Wirkstoffe mit langen Entwicklungszyklen und hohem klinischen Entwicklungsrisiko, sondern Biosimilars, also Nachfolgeprodukte bereits etablierter Biologika. Die regulatorischen Pfade sind klar definiert, die Erfolgswahrscheinlichkeit von Beginn an spürbar höher, und der Marktzugang erfolgt wesentlich schneller. Drei unserer sieben Produkte sind in den wesentlichen Märkten zugelassen, zwei generieren bereits Umsätze. Wir verfügen über einen starken Track-Record, arbeiten mit international renommierten Industriepartnern wie Fresenius Kabi, Sandoz und Teva zusammen und sind damit völlig anders positioniert als ein klassisches Biotech-Unternehmen. Stand heute sind wir auf EBITDA-Basis zwar noch nicht profitabel, es gibt aber eine sehr klare Linie, um zeitnah dahin zu kommen. Mit Blick auf die weitere Skalierung und den Ausbau unserer Pipeline haben wir uns jetzt für eine Anleihe entschieden, die wir als logischen ergänzenden Baustein zu unserer bestehenden Eigenkapitalstruktur sehen.
BOND MAGAZINE: Was sind Biosimilars genau?
Spillner: Bei Biosimilars geht es im Grunde um das Nachentwickeln biopharmazeutischer Produkte. Sie kennen Generika?
BOND MAGAZINE: Ja, natürlich.
Spillner: Generika sind Produkte, deren Patentschutz abgelaufen ist, und die nachentwickelt werden. Jetzt unterstelle ich mal, dass Sie nicht wissen, dass dies auf chemisch-synthetischer Basis geschieht.
BOND MAGAZINE: Doch, natürlich.
Spillner: Dann wissen Sie, dass Generika auf sogenannten Small-Molecules (niedermolekularen Strukturen) basieren und man diese relativ leicht nachbauen kann, und zwar 1:1. Die Entwicklungszeiträume sind relativ kurz: 2 bis 4 Jahre. Die Entwicklungskosten betragen maximal 10 Mio. Euro. Die Produkte müssen üblicherweise nicht durch klinische Studien validiert werden. Das ist also relativ leicht.
Daneben gibt es auch Therapeutika, die auf großen Molekülen basieren – die sogenannten Biologics, z.B. Antikörper oder Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs). Diese Generation von Arzneimitteln ist jünger und hat sich zeitlich gesehen deutlich nach den Small-Molecule-Arzneimitteln etabliert. Biologics sind etwa um den Faktor 1.000 größer als die Small Molecules. Man kann die Produkte also nicht einfach über eine chemische Synthese reproduzieren. Wir sind vollständig auf Biosimilars spezialisiert und kennen die Eigenschaften der jeweiligen Referenzprodukte sehr genau. Grundlage ist eine systematische Analyse des Referenzprodukts – wir zerlegen es, um Struktur und Funktion im Detail zu verstehen. Daraus entwickeln wir ein Nachfolgeprodukt, das dem Referenzprodukt in Wirksamkeit, Sicherheit, Qualität und diversen weiteren Kriterien so ähnlich wie möglich ist. Biosimilars sind – wie der Name schon sagt – per Definition nicht exakt identisch, aber funktional nahezu gleich und unterliegen sehr strengen regulatorischen Prüfungen.
BOND MAGAZINE: Ja, Biosimilars basieren auf komplexen biologischen Strukturen, die nie vollständig identisch mit dem Original sind. Welche wissenschaftlichen und regulatorischen Risiken bestehen durch diese inhärente Abweichung – insbesondere im Hinblick auf Wirksamkeit und Zulassung?
Spillner: Regulatorisch ist klar definiert, dass Biosimilars in allen wesentlichen Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsparametern mit dem Referenzprodukt übereinstimmen müssen. Das betrifft eine Vielzahl analytischer Kriterien – teils mehr als 50 Einzelparameter –, die im Rahmen eines strukturierten Vergleichs, bis zum Technical Proof of Similarity (TPoS) geprüft werden. Durch präklinische und klinische Daten lässt sich sehr zuverlässig belegen, dass das Biosimilar in seiner Wirkung und seinem Nebenwirkungsprofil dem Referenzprodukt sehr ähnlich ist. Nur dann erfolgt auch die regulatorische Zulassung.
BOND MAGAZINE: Viele Biotech-Unternehmen arbeiten in Partnerschaften mit „Big Pharma“. Wie unabhängig ist Formycon strategisch und operativ aufgestellt und wie ist Ihre Strategie diesbezüglich?
Spillner: Wir arbeiten bewusst partnerschaftlich, bleiben dabei aber strategisch und operativ unabhängig. Unsere Biosimilars entwickeln wir zunächst eigenverantwortlich, von der Auswahl des Zielprodukts über die klinische Entwicklung bis zur Zulassung in den jeweiligen Märkten. Ab einem bestimmten Entwicklungsstand binden wir gezielt Partner ein, in der Regel international etablierte Unternehmen mit starker Vertriebsinfrastruktur im Bereich Biosimilars wie Teva, Sandoz oder Fresenius Kabi. Diese Partner verfügen über die notwendige Infrastruktur für Markteinführung und Vertrieb, wir steuern die Entwicklungskompetenz bei. Darüber hinaus setzen wir auf regionale Spezialisten wie etwa mit MS Pharma, Lotus oder Biomm, um auch gezielt lokale Marktpotenziale erschließen.
Die Lizenzstruktur ähnelt klassischen Biotechverträgen. Es gibt eine Vorabzahlung für die bereits geleistete Entwicklungsarbeit, erfolgsabhängige Meilensteinvergütungen entlang der klinischen und regulatorischen Entwicklung sowie eine laufende Umsatzbeteiligung nach Markteintritt. So verbinden wir die Stärken eines fokussierten Entwicklungsunternehmens mit der Reichweite globaler Vermarktungspartner und können gleichzeitig auf den Aufbau einer eigenen Kommerzialisierungsorganisation, die sehr kapitalintensiv ist, verzichten.
BOND MAGAZINE: Biosimilars hat man nicht exklusiv. Was macht Formycon anders als Andere?
Spillner: Einige Aspekte hatte ich schon genannt: Formycon ist ausschließlich auf Biosimilars fokussiert. Unser gesamtes Know-how ist auf die Auswahl, Analyse, Entwicklung und Zulassung von hochwertigen Biosimilars ausgerichtet. Wir entwickeln parallel keine Generika oder neuen Moleküle. Dieser klare Fokus vermeidet Zielkonflikte und erlaubt uns, Ressourcen effizient einzusetzen. Wir müssen intern auch nicht um Kapazitäten buhlen. Unser Team umfasst rund 250 Mitarbeitende, etwa 80 Prozent davon arbeiten im wissenschaftlichen Bereich. Wir sind alle an einem Standort in Martinsried bei München tätig und verfügen über ein internationales, sehr erfahrenes Team. Diese Struktur ermöglicht es uns, Entscheidungen schnell zu treffen und Entwicklungsprozesse deutlich agiler und fokussierter zu steuern als andere Unternehmen aus der Branche.
BOND MAGAZINE: Für Anleiheinvestoren sind stabile Cashflows von sehr großer Bedeutung. Wie gut sind Ihre Umsätze und Cashflows planbar?
Spillner: Wir befinden uns in einem strukturierten Übergang vom Entwicklungsunternehmen hin zu einem kommerziellen Anbieter mit wachsendem Produktportfolio und zunehmenden, wiederkehrenden Erlösen. Unsere Umsätze stammen dabei aus mehreren Quellen. Zum einen erhalten wir Vorabzahlungen und erfolgsabhängige Meilensteine aus Entwicklungs- und Lizenzverträgen. Zum anderen generieren wir laufende Einnahmen aus Umsatzbeteiligungen, also Royalties, für vermarktete Produkte.
Diese gerade stattfindende Transformation erhöht die Planbarkeit unserer Cashflows. Gleichzeitig behalten wir durch die Kombination aus Entwicklungsvergütungen, Meilensteinen und Royalties die nötige Flexibilität, um gezielt in den Ausbau unserer Pipeline zu investieren und langfristig profitabel zu wachsen.
BOND MAGAZINE: Sie haben einen sehr prominenten Aktionärskreis – eine Beteiligungsgesellschaft der Familie Strüngmann, Gedeon Richter, Active Ownership. Verstehen sich die Großaktionäre als Finanzinvestoren, als strategische Investoren oder arbeiten Sie auch mit diesen zusammen?
Spillner: Alles ist der Fall. Unser Aktionärskreis ist breit aufgestellt und umfasst sowohl langfristig orientierte Investoren als auch strategische Partner. Einige Investoren begleiten uns bereits seit vielen Jahren als verlässliche Ankeraktionäre. Darüber hinaus sind auch Investoren an Bord, die über tiefes Branchenverständnis verfügen und inhaltlich gut zu unserem Biosimilar-Fokus passen. Mit einzelnen dieser Partner gibt es auch inhaltliche Schnittmengen, etwa im Bereich der biopharmazeutischen Produktion oder im strategischen Austausch. Gedeon Richter ist hier ein gutes Beispiel: Das Unternehmen ist an Formycon beteiligt und bringt fundierte Erfahrung im Bereich biopharmazeutischer Herstellung ein. Grundsätzlich schätzen wir diesen Austausch sehr, bleiben in unserer strategischen Ausrichtung aber unabhängig.
BOND MAGAZINE: Ihr Geschäftsmodell ist vielleicht nicht für jeden Privatanleger leicht verständlich. Wen sehen Sie bei der Anleiheemission als Zielgruppe?
Spillner: Auf den ersten Blick mag das so sein, aber Biosimilars kommen immer mehr in der Versorgung und bei den Patienten an. Jeder kennt das System der Generika und kann das enorme Potenzial auf Biosimilars übersetzen. Hinzu kommt, dass wir alle wissen, dass unsere Gesundheitssysteme dringend entlastet werden müssen. Seit wir Ende letzten Jahres in den Prime Standard gewechselt sind (inkl. anschließender SDAX und TecDAX Aufnahme), sehen wir einen Anstieg der Liquidität der Aktie – unser Freefloat beträgt 40%. Die Anleihe kann ein attraktiver Baustein im Portfolio der Privatanleger sein. Wir platzieren die Anleihe aber auch bei institutionellen Investoren. Der Biosimilar-Markt wächst, wir sind bereits mit zwei vermarkteten Produkten und weiteren attraktiven Kandidaten in der Pipeline klar positioniert, das macht unsere Anleihe attraktiv.
BOND MAGAZINE: Bei technologie-orientierten Unternehmen sind Aktien natürlich für Anleger sehr interessant, weil man ein hohes Upside hat. Gerade in den USA werden von Technologieunternehmen auch Wandelanleihen begeben, die dem Investor auch ein hohes Upside bieten. Weshalb haben Sie sich gegen eine Wandelanleihe entschieden?
Spillner: Wir haben Formycon bislang ausschließlich über Eigenkapital finanziert. Mit dem Übergang in eine Phase wachsender, wiederkehrender Erträge nutzen wir nun bewusst auch einen weiteren Finanzierungsbaustein. Wandelanleihen sind dabei in Zukunft grundsätzlich auch eine interessante Option, insbesondere im internationalen Kontext. Für die aktuelle Finanzierungsrunde haben wir uns jedoch für eine klassische Anleihe entschieden, da sie mit ihrem moderaten Volumen, der flexiblen Struktur und der klaren Laufzeit sehr gut zu unserem Kapitalbedarf und unserer Bilanzstruktur passt, ohne dabei zu komplex zu sein.
BOND MAGAZINE: Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Christian Schiffmacher, www.fixed-income.org
Eckdaten der Formycon Unternehmensanleihe 2025/2029
Emittentin | Formycon AG, Planegg-Martinsried |
Status | nicht nachrangig, nicht besichert |
Zeichnungsfrist | 20.06.-30.06.2025 (Börse Frankfurt), 18.06.-27.06.2025 (Formycon Website) |
Valuta | 09.07.2025 |
Laufzeit | 09.07.2029 (4 Jahre) |
Zinsspanne | 3M Euribor +7,00% bis 7,50% p.a. |
Zinszahlung | Quartalsweise, erstmals am. 9.Oktober 2025 |
ISIN / WKN | NO0013586024 / A4DFJH |
Zielvolumen | bis zu 50 Mio. Euro |
Stückelung | 1.000 Euro |
Listing | Open Market (Freiverkehr der Frankfurter Wertpapierbörse) im Segment Quotation Board, innerhalb von 6 Monaten in das Euronext ABM der Osloer Börse |
Joint Lead Managers | IKB Deutsche Industriebank AG, Pareto Securities AS, Frankfurt Branch |
Internet / Wertpapierprospekt | http://www.formycon.de/ |