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„Auf Turkey“?

Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG

„Auf Turkey“ sein wird von Rauschgiftabhängigen als Synonym für die körperliche Reaktion bei kaltem Entzug genannt. Die Herkunft dieser Bezeichnung vergleicht das Verhalten des unter dem Entzug leidenden mit den flatternden Bewegungen eines Truthahnes.

Sinnbildlich gibt es erste Anzeichen und Prognosen, dass die aus der derzeit hohen Inflation resultierende künftige Geldpolitik, die von der seit Jahren zunehmenden Geldschwemme nach oben getriebenen Assetpreise und damit auch die Kapitalmärkte auf Entzug setzen könnte. Und in der Tat gibt es insbesondere in den Aktienmärkten gerade deutliche Entzugserscheinungen. Dieses Flattern der Aktienkurse erscheint uns zum einen eher antizipativ und zum Teil auch durch das Thema Russland/Ukraine bewegt.

In den vergangenen Monaten und zuletzt Anfang September haben wir an dieser Stelle immer wieder Zweifel geäußert, dass es jedenfalls in Europa zu signifikant steigenden Zinsen kommt. Und stehen dazu in deutlicher Kontroverse zu manch durchaus kompetenten Volkswirt oder auch namhaften Medien.

Den Hauptgrund für unsere Meinung haben wir Anfang September in unserem Beitrag „in die Falle getappt“.

Es ist nun nicht so, dass wir keine Freunde der ja ausschließlich auf Geldwertstabilität ausgerichteten ehemaligen Bundesbankpolitik waren oder sind. Nur gibt es diese Welt in der Realität nicht mehr. Sie lebt nur noch in den Köpfen der Falken bei den Zentralbanken. Es ist sicher nicht Aufgabe der Zentralbanken, die negativen sozialen Folgen der durch die lockere Geldpolitik ausgelösten „Asset-Inflation“ zu antizipieren. Denn die Bürger, die bereits Assets besessen haben, konnten an der Aufwärtsbewegung partizipieren und der Rest schaut einfach nur noch hinterher. Die Folgen davon zeigen sich mittelfristig an den Wahlurnen und so kann auch nur die Politik das Problem lösen. Auch ist es nicht Aufgabe der Notenbank, sich um Staatsfinanzierung zu kümmern. Da die EZB aber einmal damit angefangen hat, kommt sie nun aus dem Dilemma nicht wieder heraus. Insgesamt sind die führenden Notenbanken dieser Welt einen Weg gegangen, aus dem es eine wirkliche Umkehr ohne drastische Friktionen an der einen oder anderen Ecke nicht mehr gibt. Man nennt sowas dann auch Entzugserscheinungen. Und damit ist eine Politik im Sinne des alleinigen Zieles Geldwertstabilität ohne Entzug nicht mehr zu erreichen. Aus heutiger Sicht wird das nicht stattfinden.

Haben wir uns geirrt? Das mögen wir bisher und auch weiterhin nicht erkennen. Die Kurse der langlaufenden Staatsanleihen sind seitdem in Europa zwischenzeitlich sogar gestiegen und per Saldo eigentlich unverändert. In USA gab es einen leichten Renditeanstieg. Und diesen Kursen gilt unser Augenmerk.

Derzeit profitieren die Anleihen allerdings auch vom üblichen „Safe Haven-Effekt“ im Angesicht der drohenden politischen Krise und den wackelnden Aktienbörsen. Und bei allen Versuchen, das Thema analytisch anzugehen dürfte eines unbestritten sein: „kriegerische Aktivitäten sind nicht nur Gift für Kapitalmärkte“.

Aber werfen wir einen Blick auf die vorliegende, ökonomische Situation. Im vorstehend erwähnten Standpunkt haben wir bereits auf die sich abschwächende ökonomische Entwicklung in China hingewiesen und damit einer der langjährigen Lokomotiven der Weltkonjunktur. Und siehe da, die chinesische Zentralbank ist bereits in anderer Richtung unterwegs und hat jüngst den Referenzzinssatz für die Neukreditvergabe der Geschäftsbanken um 10 bp gesenkt. Dies war zwar nur ein Tippelschritt - aber immerhin schon der zweite in Folge. Davor wurde mit der „Medium-Term-Loan-Facility“ auch ein weiteres Refinanzierungsinstrument gelockert.

Auch in Europa haben die Inflationsraten die EZB unter Rechtfertigungsdruck gebracht. Christine Lagarde sowie Direktorin Isabel Schnabel wiederholen jedoch regelmäßig, dass sie vorerst keinen Handlungszwang erkennen. Die Notenbank werde im Kampf gegen die hohe Inflation ihr Möglichstes tun, sagte Lagarde am Freitag auf einer Konferenz.

"Wir werden alle nur nötigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass wir unser Inflationsziel von 2 Prozent mittelfristig erreichen." Die Europäische Zentralbank steht unerschütterlich zu ihrem Preisstabilitätsziel. Jedoch erwartet Lagarde, dass die Treiber der Preissteigerung im Laufe des Jahres nachließen. Der EZB-Rat ist weiter der Auffassung, dass  eine lockere geldpolitische Linie nötig sei, damit sich die Teuerungsrate mit der Zeit auf dem Zielwert einpendeln könne.

In dasselbe Horn bläst auch EZB-Direktorin Isabel Schnabel. Die EZB gehe davon aus, dass die Inflation in ein bis drei Jahren deutlich sinken werde, sagte sie in der Presse und wies auf das Risiko hin, dass der Aufschwung abgewürgt werden könne. "Darum dürfen wir die Zinsen nicht zu früh erhöhen.

"Wenn wir heute Maßnahmen ergreifen, wirken diese erst mit Verzögerung", sagte Schnabel. Bei Öl- und Gaspreisen sei die Zentralbank ebenfalls machtlos: "Die Geldpolitik kann den Öl- oder Gaspreis nicht senken."

Die Kritik an der lockeren Geldpolitik der EZB resultiert laut Schnabel aus einem Kommunikationsproblem. "Wir bemühen uns, komplexe Zusammenhänge möglichst ein-fach zu erklären. Manchmal gelingt uns das vielleicht nicht." Daraus könne aber nicht folgen, "dass wir eine aus unserer Sicht falsche Geldpolitik betreiben, nur weil wir Sorge haben, dass unsere Maßnahmen schwierig zu erklären sind". "Das würde großen Schaden anrichten."

Eine spannende Aussage. Aber im Januar kam es Omikron-bedingt bereits zu ersten schwächeren Konjunktursignalen. Und es gilt die alte Regel: „never fight the FED“ bzw. in Europa eben die EZB.

Und damit ein Blick nach USA. Alle Auguren gehen davon aus, dass es spätestens im März zu einer Leitzinserhöhung kommen wird. Die FED hat ja selbst für 2022 drei Schritte angekündigt und der ökonomische Datenkranz hat das sicher auch untermauert. Da jedoch der Aktienmarkt nun bereits „auf Turkey“ ist, kommen erste Stimmen auf, dass alleine das „Tal-king“ hinreichend sein könnte. Hier sind wir noch nicht ganz sicher, ob dies alleine so kommt.

Denn die schleppende Situation rund um die russischen Gaslieferungen, die Diskussion um NordStream II und die Kriegsgefahr in der Ukraine haben u.a. die Preise für Öl & Gas stark ansteigen lassen. Und Goldman Sachs prognostiziert, dass diese Situation noch lange anhalten könnte und „befürchtet“ einen Ölpreis von bis zu 150,00 USD pro Barrel der Sorte Brent. Wenn das passiert, dann kommen nicht nur die Aktienmärkte auf Turkey. Sondern auch diverse andere Treiber der Preisentwicklung.

Leider scheinen wesentliche Teile der amtierenden Regierung in der Lobby-Voliere eines ehemaligen Bundeskanzlers herumzuflattern. Ohne Rücksicht auf soziale und demokratische Konsequenzen.

Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investment-fonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.

www.fixed-income.org
Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG


 

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