YAML | Example "3col_advanced"
Anzeige

Anzeige
Anzeige

Makro- und Marktbetrachtungen: Warum das Zerwürfnis der deutschen Koalition ein Segen sein könnte

von Vasileios Gkionakis, Senior Economist and Strategist bei Aviva Investors

Anfang dieses Monats entließ Bundes­kanzler Olaf Scholz Finanz­minister Christian Lindner, womit die FDP faktisch aus der Ampel­koalition ausschied. Der Haupt­konflik­tpunkt war das Budget, ins­besondere die „Schulden­bremse“, doch auch ideolo­gische Differenzen dürften eine Rolle gespielt haben.

Nach einem voraus­sicht­lichen Misstrauens­votum, das die Regierung sehr wahrscheinlich verlieren wird, sollen im Februar 2025 Neuwahlen stattfinden. Es ist bedauerlich, dass Deutschland gerade in eine Phase politischer Unsicherheit eintritt, während auf EU-Ebene dringende Führungsentscheidungen erforderlich sind. Doch die Realität ist, dass die Ampelkoalition äußerst unpopulär war, unter starken internen Spannungen litt und sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene an politischem Gewicht verlor. In diesem Sinne könnte ein „Neuanfang“ mit einem erneuerten Wählerauftrag mittelfristig das kleinere Übel sein. Über die unmittelbare Zukunft hinaus drehen sich die zentralen Fragen um die Form der nächsten Regierung und die Auswirkungen auf die Fiskalpolitik. Es gibt viele Unsicherheiten und Risiken, doch die Wahrscheinlichkeiten sprechen für vorsichtigen Optimismus. 

Meinungsumfragen zufolge liegt die CDU mit 32 Prozent der Stimmen vorne und wird wahrscheinlich die führende Partei in der nächsten Koalitionsregierung sein – entweder mit der SPD, den Grünen oder beiden. Der Schlüssel liegt jedoch in den Mehrheitsverhältnissen: Sollte sie keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen, könnte sie keine Verfassungsänderungen durchsetzen. Laut Umfragen ist die AfD die zweitstärkste Partei, doch eine Koalition zwischen CDU und AfD erscheint derzeit aufgrund erheblicher ideologischer Differenzen in innen- und außenpolitischen Fragen äußerst unwahrscheinlich.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde eine solche Koalitionsregierung eine lockerere Fiskalpolitik bedeuten, obwohl der Zeitpunkt und das Ausmaß umstritten sind. Kurzfristig könnte jedoch eine Straffung drohen, da der Haushaltsentwurf für 2025 vor den Wahlen wohl nicht verabschiedet wird – bestehende Verpflichtungen bleiben aber gedeckt. Dies deutet darauf hin, dass es nach den Wahlen und der Regierungsbildung einen Wettlauf um die Verabschiedung des neuen Haushalts geben wird. Im Mittelpunkt steht die Zukunft der Schuldenbremse, die das strukturelle Defizit des Bundes auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt.

Die CDU verteidigte die Schuldenbremse lange. Allerdings zeigen jüngste Äußerungen ihres Vorsitzenden Friedrich Merz eine Bereitschaft zu Modifikationen oder Lockerungen, wenn nicht gar zur Abschaffung. Fakt ist, dass ohne zusätzliche fiskalische Mittel Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des BIP, Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und den grünen Wandel sowie Hilfen für finanzschwache Bundesländer kaum realisierbar sind. Hinzu kommen mögliche Herausforderungen durch die nächste US-Regierung, wie neue Zölle. All das könnte die CDU und ihre Koalitionspartner dazu bewegen, eine lockerere Fiskalpolitik anzustreben.

Eine Korrektur der Schuldenbremse wäre jedoch eine Verfassungsänderung, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament erfordert. Laut aktuellen Umfragen ist dies gerade noch machbar, doch könnten selbst kleine Veränderungen – etwa ein höherer Stimmenanteil der FDP, der sie durch Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag bringt – entscheidend sein.

Auch hier ist Ungewissheit das Gebot der Stunde. Wenn die Geschichte uns ein Anhaltspunkt ist, zwangen tiefe Krisen Europa dazu, sich den Herausforderungen zu stellen und radikale Veränderungen voranzutreiben, um einige seiner festgefahrenen Strukturen und Schwachstellen zu überwinden. Ob dies auch diesmal gelingt, bleibt angesichts des globalen Kontextes abzuwarten. Alles in allem glaube ich, dass Deutschland mittelfristig eine lockerere Fiskalpolitik verfolgen wird, die den Weg für eine gemeinsame EU-Anleiheemission ebnen könnte.

Ich räume ein, dass es viele unklare Variablen gibt, darunter der Zeitpunkt und das Ausmaß von Zöllen sowie deren Auswirkungen auf das Wachstum im Euroraum. Hier jedoch drei Prognosen: (1) Ohne Schocks wird sich die Marktprognose eines endgültigen EZB-Zinssatzes von 1,8 Prozent als zu niedrig erweisen; parallel dazu sollten höhere Laufzeitprämien (2) höhere Renditen deutscher Staatsanleihen und (3) eine steilere Renditekurve implizieren. Wir werden sehen! 

www.fixed-income.org 
Foto: Vasileios Gkionakis © Aviva Investors


 

Investment
Seit der Finanzkrise dominieren die USA die Kapital­märkte wie selten zuvor. Das zeigt sich an den Aktien­märkten, aber auch bei den…
Weiterlesen
Investment
Finanzwerte profitierten von der allge­meinen Rallye im dritten Quartal – dank Anzeichen eines robusten Wirtschafts­wachs­tums und einer stabilen…
Weiterlesen
Investment

Global investierender Dachfonds in Industrie- und Schwellenländern, Investment Grade und High Yield

alpha portfolio advisors hat in Zusammen­arbeit mit Universal Invest­ment den alphaport Credit Oppor­tunities aufgelegt. Der Dachfonds investiert…
Weiterlesen
Investment

von Maksim Hrupin, Senior Portfoliomanager, BANTLEON

Eine schwache Wertent­wicklung seit Jahres­anfang und Kurs­verluste im Umfeld von Krisen­phasen der vergangenen Jahre lassen Anleger an ihren…
Weiterlesen
Investment

von Jill Hirzel, Senior Investment Specialist, Insight Investment

Die EZB hat die Zinsen zum dritten Mal in Folge unver­ändert gelassen und sich damit von der US-Noten­bank abge­wandt, die nur einen Tag zuvor die…
Weiterlesen
Investment
Europa ist nur bedingt abwehr­bereit und wird es ver­mutlich noch für einige Zeit bleiben. Kein beruhigender Befund, aber Indiz für lang­fristigen…
Weiterlesen
Investment
Diesen Monat gab es keine offiziellen US-Konjunktur­daten. Aber wen interessiert das schon? Man weiß genug, um optimistisch zu sein. Am Aktien­markt…
Weiterlesen
Investment

von Konstantin Veit, Portfoliomanager, PIMCO

Wir gehen davon aus, dass die Euro­päische Zentral­bank (EZB) bei ihrer Sitzung am Donnerstag den Zinssatz für die Einlagen­fazilität (DFR)…
Weiterlesen
Investment

von Chris Iggo, CIO Core Investments bei AXA Investment Managers

Allmählich verdient man mit länger laufenden Anleihen mehr als mit kürzer laufenden. Weil die Zins­struktur­kurven steiler geworden sind, bieten…
Weiterlesen
Investment
Der Plenum European Insurance Bond Fund hat das Fonds­vermögen von 200 Mio. Euro über­schritten. Der Fonds wurde im Jahr 2021 als OGAW-Fonds mit…
Weiterlesen
Anzeige

Neue Ausgabe jetzt online!