Die drastische und voranschreitende Zollpolitik der Trump-Regierung hat die Märkte in Aufruhr versetzt. Im nachfolgenden Q&A beantwortet CIO Dan Ivascyn, der die PIMCO-Income-Strategie gemeinsam mit Alfred Murata und Josh Anderson verwaltet, Fragen von Esteban Burbano, Fixed-Income-Stratege, zur Marktvolatilität und -unsicherheit. Zur Sprache kommen unter anderem die Bedeutung von Stabilität in einem unsicheren makroökonomischen Umfeld sowie die attraktiven Chancen am Anleihemarkt bei weiterhin hohen Renditen.
Die Märkte reagieren volatil auf das neue Zollregime der Trump-Regierung. Wie bewerten Sie diese Volatilität im aktuellen makroökonomischen Umfeld?
Diese Volatilitätsphase ist insofern besonders, als sie nicht auf einen externen Schock, sondern auf bewusste politische Entscheidungen und deren Umsetzungsstil zurückgeht. Wir hatten mit Unsicherheiten im Zuge der Politik von Präsident Donald Trump gerechnet. Welchen Stellenwert die Neuausrichtung der globalen Handelsbeziehungen für ihn hat, hatte er bereits früh verlauten lassen. Außerdem ist Trump seit den 1980er Jahren ein Befürworter von Zöllen – lange bevor er Präsident wurde. Dennoch waren wir – wie viele andere – vom Ausmaß der vorgeschlagenen Zölle und der Berechnungsmethode der Trump-Regierung überrascht.
Die makroökonomischen Folgen davon könnten problematisch sein. Wir glauben, dass ein Zollpaket in dem Ausmaß, wie es am 2. April angekündigt wurde, die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA und eines Anstiegs der Inflation deutlich erhöhen würde. Die nachfolgenden Verhandlungen und Aufschübe haben die Lage etwas entschärft, aber handelsbezogene Unsicherheit dürfte bestehen bleiben.
Unser Basisszenario sieht folgendermaßen aus: Es wird weitere produktive Verhandlungen mit vielen US-Handelspartnern geben die Gegenzölle vermeiden oder begrenzen möchten. Gleichzeitig werden universelle Zölle von 10 Prozent wahrscheinlich bestehen bleiben. Auch sektorspezifische Zölle dürften beibehalten werden.
Die Marktvolatilität im April war zwar erheblich – insbesondere der sprunghafte Anstieg der Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen beunruhigte viele Anleger. Doch prinzipiell bleiben Anleiherenditen unserer Einschätzung nach sowohl absolut betrachtet als auch relativ zu anderen Anlageklassen attraktiv. Zudem erwarten wir, dass solche Phasen der Unsicherheit auch neue Chancen eröffnen können.
Die starke Volatilität hat Zweifel an der Funktionsfähigkeit der Märkte aufkommen lassen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Die Märkte funktionieren grundsätzlich gut – es ist nur sehr viel Bewegung drin. Wie bei früheren Volatilitätsepisoden beobachten wir zunächst Verkäufe in qualitativ hochwertigen Anlagen, da Investoren liquide Mittel schaffen oder Risiken abbauen wollen. In hochwertigen Segmenten des Anleihemarkts kann das zu einer Spread-Ausweitung führen. Gegen Zahlungsausfälle und Herabstufungen sind diese Segmente unseres Erachtens jedoch weitgehend resistent.
Nichtsdestotrotz haben wir auch Kreditnehmer mit hohem Fremdkapitalanteil immer auf dem Schirm. Ein rezessionsbedingter Schock bei gleichzeitig schwachen Gläubigerschutzklauseln und engen Spreads könnte hier problematisch werden. In diesen Märkten sehen wir aktuell eine gewisse Sorglosigkeit.
Deshalb halten wir es in diesem Umfeld für klug, auf Qualität zu setzen und Stabilität anzustreben – wie auch in unserem aktuellen Konjunkturausblick dargelegt.
Wie wird die US-Notenbank Ihrer Meinung nach mit dieser Unsicherheit umgehen?
Die Fed muss sich mit einer Stagflationsgefahr auseinandersetzen und befindet sich somit in einer recht schwierigen Lage. Zölle könnten die Inflation noch weiter über das Ziel der Fed hinaus ausschlagen lassen. Und selbst bei Handelsabkommen mit Bestand dürfte die Inflation über längere Zeit erhöht bleiben. Gleichzeitig belasten die handelsbedingten Maßnahmen das Wachstum.
Wir gehen davon aus, dass die Fed bei Zöllen und weiteren Maßnahmen der Trump-Regierung auf mehr Klarheit wartet. Solange die Märkte geordnet funktionieren, dürfte die Fed Zurückhaltung üben. Die Fed-Verantwortlichen werden sich sehr genau überlegen, ob sie wirtschaftliche Stimuli zu einem Zeitpunkt setzen wollen, an dem sich die Inflation oberhalb des Zielwerts befindet. Sollten sich die Wirtschaftsdaten jedoch deutlich verschlechtern – insbesondere bei einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit –, könnte die Fed in der zweiten Jahreshälfte 2025 entschlossener mit Zinssenkungen reagieren.
Wie lassen sich bei einer derart hohen Volatilität Anleihen im Vergleich zu anderen Anlageklassen aus Investorenperspektive beurteilen?
Die Lage ist wahnsinnig dynamisch. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs sind die Aktienbewertungen nach leichtem Rückgang im historischen Vergleich nach wie vor hoch – insbesondere im Vergleich zu qualitativ hochwertigen Anleihen. Die Credit-Spreads haben sich zwar ausgeweitet, sind aber mit Blick auf die jüngere Vergangenheit immer noch eher eng.
Eine gerechtfertigte Frage ist nun, warum risikoreichere Vermögenswerte nicht stärker unter Druck geraten sind. Einer der Gründe liegt in sehr starken technischen Faktoren – bildhaft könnte man sich das als eng gewickelte Spule vorstellen. Ein großer Teil des Kreditvolumens ist in die privaten Märkte abgewandert, wo eine Risikobilanzierung zum Marktwert unüblich ist. Zudem ist die jüngste Volatilität eindeutig eine Folge von politischen Entscheidungen der Trump-Regierung. Und die Investoren sind sich nicht sicher, inwieweit die Regierung ihre Maßnahmen an Marktreaktionen ausrichtet.
Ein Hoffnungsschimmer: Sollte mehr Klarheit darüber herrschen, woran die US-Regierung ihre Reaktionen und Handlungen ausrichtet, könnten insbesondere die hochwertigeren Segmente mit zuletzt ausgeweiteten Spreads schnell wieder zulegen. Tatsächlich haben wir bereits beobachten können, dass die Regierung eine gewisse Sensibilität gegenüber den Bewegungen am Markt für US-Staatsanleihen zeigt. Ebenso sind wir Zeuge davon geworden, wie die Märkte nach Anpassungen in der Zollpolitik wieder anziehen können.
Wie ist die Durations- und Kurvenpositionierung der Income-Strategie aktuell gestaltet?
Wir sind bei der Duration tendenziell neutral bis leicht übergewichtet. Bei Marktübertreibungen würden wir aber in Erwägung ziehen, die Zinssensitivität noch etwas zu erhöhen.
Mit der hohen makroökonomischen und politischen Unsicherheit sind wir am langen Ende der Kurve eher untergewichtet und bevorzugen kurz- bis mittelfristige Laufzeiten. Zusätzlich zu unseren US-Investments diversifizieren wir weiterhin global, etwa Großbritannien und Australien er scheinen uns aussichtsreich. Auch die europäische Duration beobachten wir aufmerksam – vor allem im Hinblick auf die geplanten Mehrausgaben für Verteidigung.
Wie positionieren Sie die Income-Strategie im Bereich Unternehmensanleihen und Kredite?
Wir sehen weiterhin attraktives Renditepotenzial in hochwertigen Anlagen – insbesondere nach der jüngsten Neubewertung, bei der sich die grundlegenden Risiken aber nicht erhöht haben. Auch wenn die Credit-Spreads langsam attraktiver werden, bleiben wir angesichts der bestehenden Unsicherheit vorsichtig. Wir stehen jedoch für ein stärkeres Engagement bei Unternehmensanleihen bereit, sollten wir umfassendere Verkäufe sehen. Aktuell bevorzugen wir vorrangig besicherte Kreditinstrumente.
Das Risiko von Vermögenswerten, die durch Konsumentenkredite unterlegt sind, zeigt sich weiterhin widerstandsfähig, denn die US-Haushalte befinden sich in einer finanziell stabilen Lage.
Die Immobilienpreise sind über Jahre gestiegen, und die Beleihungsquoten bei Hypothekenpools liegen meist unter 50 Prozent. Solche Haushalte sind aus unserer Sicht gute Kandidaten für Autokredite oder Mitunterschriften für Studienkredite. Auch außerhalb der USA suchen wir gezielt nach Chancen, die auf einer soliden Verbrauchernachfrage basieren.
Wie bewerten Sie hypothekenbesicherte Wertpapiere der US-Regierung (Agency MBS)?
Agency MBS sind im relativen Vergleich weiterhin attraktiv. Zwar haben sich ihre Spreads zu US-Staatsanleihen im Zuge der jüngsten Zinsvolatilität ausgeweitet, doch insgesamt haben sie sich in diesem Jahr gut entwickelt und ihre defensiven Eigenschaften unter Beweis gestellt. Bemerkenswert ist, dass Agency-MBS-Spreads aktuell sogar weiter sind als jene von Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Das kommt einem attraktiven Zusatzertrag bei staatlicher oder halbstaatlicher Absicherung gleich.
In unserem Basisszenario bleiben die sogenannten GSEs (Government Sponsored Enterprises) Teil der US-Regierung. Selbst wenn die Trump-Regierung auf eine Privatisierung hinwirken sollte, gehen wir davon aus, dass dies unter Wahrung der hohen Qualität der MBS erfolgen würde.
Wie ist die Income-Strategie im Bereich der Schwellenländer positioniert?
Angesichts geopolitischer und makroökonomischer Unsicherheiten gehen wir im Emerging-Markets-Bereich sehr selektiv vor. Nichtsdestotrotz halten wir ein moderate EM-Allokation zur Diversifikation und als Renditequelle. Wir konzentrieren uns dabei auf Länder mit attraktiven Realrenditen im Vergleich zu den USA.
In der Handelsbeziehung mit China erwarten wir anhaltende Spannungen, allerdings könnten Verhandlungen mit Handelspartnern in Südostasien und Südamerika für positive Impulse bei langfristigen Anlagen sorgen.
Schauen wir zum Abschluss auf Währungen. In der Income-Strategie ohne größeren Anteil, sind sie doch ein zentraler Bestandteil des globalen Repertoirs. Wie beurteilen Sie den US-Dollar im Vergleich zu anderen Währungen?
Die Politik der US-Regierung könnte langfristig zur weiteren Schwächung des US-Dollars führen. Die starke Nachfrage nach dem Dollar basierte lange sowohl auf seiner Rolle als Weltreservewährung als auch auf der wirtschaftlichen Sonderstellung der USA. Letztere hat zuletzt jedoch zumindest teilweise Federn gelassen. Deshalb behalten wir unsere leichte Untergewichtung des Dollars wahrscheinlich bei, mit der Option diese Untergewichtung weiter ausbauen – je nach Entwicklung der Märkte. Der globale Handel befindet sich gerade mitten in einer Anpassungsphase und wir sehen hier attraktive Chancen im relativen Währungshandel – sowohl in entwickelten Volkswirtschaften als auch in Schwellenländern.
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