Die Handelspolitik des US-Präsidenten zwingt uns, die Wachstums- und Marktprognosen nach unten anzupassen. Unabhängig vom Fortgang der Zollpolitik wurde bereits genug Vertrauen zerstört, um Verbraucher, Anleger und Unternehmen vorsichtiger werden zu lassen. Kurzfristig rechnen wir mit volatilen Märkten, doch im Kernszenario gehen wir auf Jahressicht von rückläufiger Unsicherheit und positiven Aktienrenditen aus.
In Kürze:
• Mit einem turbulenten Antritt Donald Trumps zweiter Amtszeit hatten wir gerechnet. Dass die Abschottung der USA so kompromisslos verfolgt werden würde, hatten wir jedoch nicht erwartet.
• Wir denken, dass das bisherige Gebaren der US-Regierung genügend Vertrauensschaden angerichtet hat, um mit einer Eintrübung des Wirtschaftstätigkeit rechnen zu müssen.
• Binnen weniger Monate haben sich die USA vom nahezu alternativlosen Anlageziel zu einer Anlageregion gewandelt, für die Anleger zwanghaft Alternativen suchen. Im Kernszenario gehen wir davon aus, dass das Überraschungsmoment seine Spitze erreicht hat, was jedoch nicht gegen weitere marktbewegende Schlagzeilen spricht.
• Mit etwas Optimismus könnte man Trumps Kehrtwende im Falle des Arbeitsstatus von Fed-Chef Jerome Powell als Zeichen werten, dass er doch auf Marktsignale reagiert. Von einem Trump-Put würden wir aber nicht mehr sprechen.
• Wir passen unsere Prognosen nach unten an, glauben aber weiterhin, dass Anleger mit einer breiten regionalen und sektoralen Aufstellung am besten gewappnet sind.
Trumps Regierungsstil verprellt Anleger
Für längerfristigen Investitionsentscheidungen benötigen Anleger und Unternehmenslenker gleichermaßen größtmögliche Planungssicherheit, insbesondere in Form verlässlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen. Mit der Geschwindigkeit, in der die US-Regierung vor allem ihre Zollpolitik ändert, kann davon derzeit keine Rede mehr sein. Außerordentlich irritierend wird es zudem, wenn Ankündigungen nicht auf einem nachvollziehbarem Modell zu basieren scheinenund die Frage damit ungelöst bleibt, wie die einzelnen der insgesamt 180 Länder, für die Strafzölle angekündigt wurden, diese abwenden können. Überhaupt bleibt fraglich, wie umfangreich und nachhaltig die Handelsverträge mit einer derart großen Anzahl von Ländern ausfallen können, wenn sie binnen insgesamt 90 Tagen (Dauer der Pause auf die individuellen Zölle) verhandelt werden sollen. Ohnehin bleibt ein gewisser Schaden, der von den aller Wahrscheinlichkeit nach verbleibenden universellen Zöllen in Höhe von zehn Prozent ausgehen dürfte, weiterhin bestehen.
Aus Anlegersicht gilt es zwischen negativen Entwicklungen und negativen Überraschungen zu unterscheiden. Wir denken, dass es der US-Regierung insbesondere nach dem „Liberation Day“ am zweiten April kaum mehr gelingen wird, die Anleger noch negativer zu überraschen. Was aber nicht heißt, dass die Auswirkungen der US-Politik nicht noch über längere Zeit in die Wirtschaftszahlen einwirken werden – negativ. So gehen wir von einer deutlichen Abschwächung der US-Wirtschaft in diesem Jahr aus, mit mindestens einem Quartal negativen Wachstums. Für 2026 haben wir die Wachstumsrate von 2,2 auf 1,1 Prozent halbiert – so stark haben wir in keiner anderen Region gekürzt. Gleichzeitig haben wir die Inflationserwartungen hochgenommen, was auch erklärt, warum wir nicht glauben, dass sich insbesondere die US Federal Reserve (Fed) früher und schärfer mit Zinssenkungen der Konjunkturdelle entgegenstellt.
Es ist denkbar, dass sich unser Kernszenario in zwölf Monaten als zu pessimistisch erweist. Allerdings kann man eine negative Abweichung noch weniger ausschließen. Wir bewegen uns schließlich auf unbekanntem Terrain. Erstmals seit vielen Jahrzehnten steht die westliche Sicherheitsarchitektur zur Disposition, zweifeln Anleger in großem Stil den sicheren Status von US-Anlagen an und droht der Globalisierung ein nachhaltig negativer Dämpfer. Es bleibt jedoch die Hoffnung, dass sich die Unternehmen erneut – wie bei Covid und dem Ukrainekrieg – als überraschend anpassungsfähig zeigen.
Unsere wichtigsten Prognoseanpassungen
Anleihen und Währungen
Im Vergleich zu unseren 12-Monatsprognosen vom März haben wir die Staatsanleiherenditen der USA und Deutschlands leicht zurückgenommen und bewegen uns im Wesentlichen nicht weit von den heutigen Ständen entfernt. Die Seitwärtsbewegung ist Ergebnis der konträren Kräfte, die auf den Renditen einwirken: in den USA Konjunkturabschwächung (und die drei von uns erwarteten Zinssenkungen) einerseits und der enorme Refinanzierungsbedarf und der Vertrauensverlust in die US-Staatsanleihen andererseits. In Deutschland wirkt das Billionen-Infrastrukturpaket gegen eine jetzt schwächer als erwartet wachsende Wirtschaft. Bei den Währungen sehen wir auf Jahressicht keine Erholung des Dollars (USD), sondern erwarten eine weitere leichte Abschwächung.
Aktien
Angesichts des unsicheren Umfelds haben wir uns entschieden, sowohl die Gewinnschätzungen als auch die Ziel-Bewertungsmultiplikatoren (basierend auf Kurs-Gewinn-Verhältnis) für Aktien leicht zu reduzieren – was implizit bedeutet, dass wir hier keinen tiefen Wirtschaftseinbruch modellieren. Weitere Rücksetzer über die kommenden Monate sehen wir als realistisch an, doch gibt es auch gute Gründe an Aktien festzuhalten: nicht nur kann man mit ihnen potentiell ein erneutes Aufflackern der Inflation relativ besser umschiffen, sondern bieten sie auch Teilhabe am Aufwärtspotenzial, sollte die US-Politik sich doch noch konzilianter zeigen. Wir ziehen Europa den USA vor, da der Bewertungsabstand nach wie vor sehr hoch ist und Europa von einer Umschichtung der Anlegergelder raus aus den USA profitieren sollte.
Alternative Anlagen
Öl: Aufgrund einer reduzierten Nachfragemenge bei gleichzeitig hohem Angebot der OPEC+ Länder haben wir die Ölpreisprognose (je Tonne Brent) auf USD 63 per Ende März 2026 reduziert. Beim Goldpreis geht es aufgrund der unverändert hohen Nachfrage durch Zentralbanken und Privatanleger hingegen weiter nach oben, hier sehen wir nun Dollar 3.600/Unze im März 2026 als möglich.
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