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Finanzmärkte entwickeln sich zunehmend von der Realwirtschaft

von Dr. Andreas Busch, Senior Analyst Economics, Bantleon

Die Stimmung an den Finanzmärkten nimmt mehr und mehr panikhafte Züge an. Hintergrund sind fast täglich neue Tiefststände beim Rohöl und an den chinesischen Börsen. Sie machen vielen Investoren Angst, weil sie als Beweis dafür angesehen werden, dass die Weltwirtschaft ausgehend vom Reich der Mitte in eine neue Rezession abzurutschen droht.

Betrachtet man jedoch die Lage an den Rohstoff- und Aktienmärkten genauer, kommen starke Zweifel an einer derart skeptischen Sicht auf. So stellt sich der anhaltende Rückgang der Aktienkurse in China immer noch als eine letztlich gesunde Korrektur der vorherigen Übertreibung dar. Selbst nach dem heutigen Minus von 8,5% hat der Shanghai Composite-Index bislang nur die seit Anfang des Jahres aufgelaufenen Gewinne wieder wettgemacht. Auf 12-Monatssicht liegt er immer noch über 40% im Plus. So wie die bis Juni dieses Jahres entstandenen, fast 150%igen Kurszuschreibungen (gegenüber den Tiefstständen des Jahres 2014) dem privaten Konsum keinen nennenswerten Schub gegeben haben, so wenig wird das in den letzten 10 Wochen zu verzeichnende knapp 40%ige Minus den privaten Verbrauch dämpfen. Das liegt daran, dass Aktieninvestments bei der Vermögensanlage der privaten Haushalte Chinas trotz des Booms der letzten Quartale eine viel geringere Rolle spielen als beispielsweise in den USA.

Nimmt man den Rohölmarkt ins Visier, erweisen sich die Ängste vor einer abstürzenden Weltwirtschaft ebenfalls als unbegründet. Schon seit Herbst vergangenen Jahres hat sich hier die Preisentwicklung von der konjunkturellen Zyklik entkoppelt. Die normalerweise geltende Parallelität – die Preise steigen, wenn die Weltwirtschaft anzieht und umgekehrt – ist schon seit fast einem Jahr nicht mehr zu beobachten. Vielmehr dominiert seit geraumer Zeit die strukturelle Anpassung auf der Angebotsseite das Geschehen (Überangebot aufgrund neuer Fördertechnologien und geopolitischer Entwicklungen). Angesichts dieses Strukturbruchs ist es in unseren Augen grob fahrlässig, Ölpreisrückgänge als Ausdruck einer wirtschaftlichen Abschwächung anzusehen. Im Gegenteil – sinkende Energiekosten sorgen letztlich für Realeinkommensgewinne und schieben somit die Konjunktur sogar an.

Des Weiteren sprechen die jüngsten Datenveröffentlichungen aus den großen Industrienationen gegen eine nachlassende globale Konjunkturdynamik. In den USA leidet die Industrie zwar noch unter der Aufwertung des USD und kommt daher nur langsam in Schwung. Dagegen nimmt jedoch der Immobilienmarkt Fahrt auf und der private Konsum wird angesichts robuster Stellenschaffungen weiter seiner Rolle als wichtigstem Wachstumsmotor gerecht. Gleichzeitig setzt sich in der Eurozone die wirtschaftliche Erholung fort. Vor allem die deutsche Industrie – die das Abrutschen Chinas in eine Rezession eigentlich als erstes spüren müsste – erweist sich gemäß der August-Einkaufsmanagerumfrage von Markit als robust. Hier kletterte der Index sogar auf den höchsten Stand seit sechzehn Monaten.

Alles in allem ist daher die panische Entwicklung an den Finanzmärkten in unseren Augen durch die realwirtschaftliche Entwicklung in keiner Weise gedeckt. Vielmehr stellen sich der Konjunkturausblick in China, den USA, der Eurozone und der Weltwirtschaft insgesamt positiv dar. Nicht zuletzt ist insbesondere im Falle der Eurozone und Chinas ermutigend, dass die Geldpolitik weiterhin bereitsteht, um stimulierend einzugreifen, wenn sich die wirtschaftliche Lage tatsächlich verschlechtern sollte. Vor diesem Hintergrund dürfte an den Finanzmärkten über kurz oder lang wieder eine realistischere Beurteilung der fundamentalen Rahmenbedingungen Einzug halten. Der Ausblick für risikobehaftete Assets bleibt somit trotz aller Panikmache freundlich.


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