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Großwetterlage

Kapitalmarkt-Standpunkt von Kai Jordan, Vorstand, mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG

Moin! Dieser Standpunkt spielt ja gerne mit seemännischem Vokabular, da die Parallelen des Geschehens auf hoher See mit denen in den Kapitalmärkten nicht zu verkennen sind. Stets ändern sich die Bedingungen und der Mensch ist gefordert, diese Situationen für sich zu bewerten und gegebenenfalls Handlungsoptionen daraus abzuleiten.

Garantien gibt es keine, aber gute Kenntnisse der Materie und hinreichende Erfahrung helfen dabei, Entscheidungen zu treffen, die man auf dem Meer als „gute Seemannschaft“ bezeichnet. Letztlich geht es immer darum, die Eintrittswahrscheinlichkeiten zu erhöhen, erfolgreich anzukommen.

Dabei ist es geboten in den Wirren der täglichen Informationslage auch den Blick auf das Große und Ganze zu bewahren. Auch in den Kapitalmärkten haben wir gerade wieder eine Situation, mit der sich die Märkte intensiv beschäftigen und die je nach Einschätzung strategische Folgen für die Allokation der Investoren haben.

Die Rede ist vom Inflationsgespenst und damit verbunden die Befürchtung, dass sich der zwischenzeitlich erfolgte leichte Zinsanstieg manifestiert und fortsetzt. Denn die Märkte liefen zuletzt doch recht sorglos mit dem stabilen Wind hoher globaler Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken und staatlicher Konjunkturprogramme.

Wir hatten im Januar in unserem Standpunkt „Kabbelwasser“ bereits darauf hingewiesen, dass es nicht ewig so weitergehen wird und es ist tatsächlich so gekommen. Auf einmal spürten die Seeleute auf den Brücken der Schiffe, die durch die Kapitalmärkte schippern einen deutlichen Luftzug aus einer vollkommen unerwarteten Richtung.

Die langen Zinsen in USA und auch in Europa verzeichneten einen mehr-oder-weniger leichten Anstieg und die Aktienmärkte legten sogleich einen deutlichen „Ausschüttler“ ein. Hinter den Kulissen tobt aber die von uns hier auch schon angekündigte Sektorrotation zu Lasten der vorher in astronomische Bewertungen katapultierten Technologieaktien und zu Gunsten der Unternehmen mit tradierten Geschäftsmodellen. 
Obwohl am Ende in den Indices gar nicht so viel passiert ist, sind in manchem Portfolio ganz schnell mal 30 % und mehr verschwunden.

Diese Entwicklung wird Bestand haben. Am Ende werden die Märkte auch die fundamentale Entwicklung der einzelnen Branchen und Unternehmen reflektieren. Und die Marktteilnehmer an den Zinsmärkten den fundamentalen Datenkranz der Konjunkturen.

Nun gilt es ein ganz besonderes Augenmerk auf die Marktteilnehmer zu richten, die letztlich für den günstigen Rückenwind verantwortlich waren. Denn, das Inflationsgespenst, das mancher Augur hier an die Wand malt, würde ja ein wesentlicher Treiber für eine Richtungsänderung Politik der Zentralbanken sein. Aus einer derzeit kurzfristigen Änderung der Windrichtung aufgrund temporärer Einflüsse würde eine grundsätzliche Änderung der Großwetterlage entstehen. Ist dies realistisch?

Wir sagen nein! Allerdings muss man regional differenzieren.
Tatsächlich kommen die Aufwärtstendenzen bei den Zinsen hauptsächlich aus den USA. Die konjunkturelle Erholung und die Entwicklung bei der Beschäftigung haben die Rendite für 10jährige Staatsanleihen auf 1,6 % getrieben und in den Märkten wird über die 2 fabuliert. Diese Entwicklung ist für Standpunktleser auch keine Überraschung. Die gigantischen Konjunkturpakete der Biden-Administration hatten wir erwartet und manchem Navigator erscheinen diese weitaus übertrieben. Insofern preist der dortige Zinsanstieg die künstlich angefeuerte konjunkturelle Entwicklung ein.

Europa hinkt dieser Entwicklung nicht zuletzt wegen der armseligen Performance der EU und insbesondere auch der Bundesregierung hinterher. Die handwerklich vermasselte „Bürokratie-Bazooka“ von Scholz und Altmaier kommt bei vielen kleinen Unternehmen und im Mittelstand, deren Branchen unter dem Lockdown leiden, weiterhin nicht richtig an und wenn die Regierung hier nicht zügig die Kurve bekommt, dann werden uns hier damit noch beschäftigen (müssen).

Wie positionieren sich nun die Navigatoren und Lotsen der Zentralbanken auf der Brücke der großen Zinstanker?

US-Notenbankchef Jerome Powell erklärte, der Renditeanstieg habe seine Aufmerksamkeit erregt, aber das vermochte die Märkte erstmal nicht zu beruhigen. Weitere Notenbanker wie der Philadelphia FED-Chef Harker sieht allerdings auch keine Zinsschritte der FED im laufenden Jahr. Wir bewerten damit die US-Bewegung als Normalisierung. Die bärische Dynamik wird vielleicht noch etwas anhalten. Von Dauer ist sie nicht. Allerdings dürften die Lows bei den Renditen erstmal in weite Ferne gerückt sein.

Werfen wir also einen Blick nach Europa. Viele Euro-Hüter sorgen sich bereits darüber, dass anziehende Kreditkosten, die bisher nur teilweise aus dem China-Handel stabilisierte Konjunkturerholung zur Unzeit wieder abwürgen kann. Wenn man nun allerdings die Fracht betrachtet, die so ein Finanzierungstanker in Europa schleppen muss, dann ist Gegenwind aus der Großwetterlage genau die falsche Richtung. Fragilere Konjunkturen und ausufernde Staatsschulden im Club-Med machen nachhaltige Zinsanstiege schlichtweg unmöglich. Um die Schuldenflut irgendwann nochmal in den Griff zu bekommen bräuchte es dann schonmal eine Währungsreform. Und dazu ist gegenwärtig keine Zeit. Wir haben ganz andere Probleme.

Wir gehen davon aus, dass die EZB dieser aus USA induzierten Bewegung durch Intensivierung des Notfallanleihekaufprogrammes PEPP entgegensteuern wird. Sonst würde sie viel zu viel Vertrauen verspielen. Die Aussagen der EZB-Kapitäne bestätigen das ebenso wie fachkundige Seeleute auf den Beibooten. So zitiert die Börsenzeitung den Sparkassenpräsident Grandke „Die Niedrigzinsfabrik EZB produziert weiter.“ Dieser führt weiterhin aus, „dass er die in manchen Banken gehegte Hoffnung auf Zinswende“ für illusorisch hält.

Die Großwetterlage in Europa hat sich nicht wesentlich verändert. Es gibt temporär störende Einflüsse durch Klimaschwankungen in Übersee. Aber wenn diese abflauen, wird sich das hiesige atmosphärische System wieder durchsetzen.

Wer in der Lage ist, diese temporären Wetterumschwünge in den Aktien- und Rentenmärkten mitzuspielen kann das gerne tun. Für den langfristig orientieren Anleger bedeutet es aber weiterhin Kurs halten und wer in KMU-Anleihen mit hoher Stabilität investiert hat, ist von diesen Bewegungen ohnehin kaum betroffen. Er kann weiter gut Schlafen und gut Essen.

Es bedeutet aber ebenfalls weiterhin:

„Finger weg von den Wackelkandidaten“. Denn Murphys Law gilt auf See wie auch auf dem Festland: „Alles was schiefgehen kann und wird auch schiefgehen“.

Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 38.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.

www.fixed-income.org
Foto: Kai Jordan
© mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank


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