Johanna Kyrklund, Group Chief Investment Officer (CIO) bei Schroders, blickt in seinem Kommentar auf die entscheidende Stabilität des Anleihemarktes, die für ruhige Märkte in politisch unsicheren Zeiten sorgt:
Den größten Einfluss auf das globale Wirtschaftswachstum hat eindeutig die Unsicherheit hinsichtlich der Zölle, wobei sowohl die endgültigen Sätze als auch mögliche Ausnahmen unklar sind. Die Verlängerung der Frist für das Handelsabkommen durch Präsident Trump vom 9. Juli auf den 1. August hat wenig zur Entspannung der Lage beigetragen, da sie mit einer zunehmend aggressiven Rhetorik gegenüber wichtigen Handelspartnern einherging.
Im Laufe der Zeit sind die Marktreaktionen auf erneute Zollandrohungen zurückgegangen, was darauf hindeutet, dass die Anleger solche Ankündigungen zunehmend als erste Angebote in einem umfassenderen Verhandlungsprozess betrachten. Diese Interpretation hat sich zwar bislang weitgehend als richtig erwiesen, birgt jedoch das Risiko, dass die Märkte letztlich die Bereitschaft Trumps unterschätzen, deutlich höhere Zölle als derzeit erwartet einzuführen.
Unser Basisszenario geht weiterhin von einem effektiven Zollsatz von 12% aus – dem höchsten Stand seit Kriegsende –, was jedoch impliziert, dass einige Vereinbarungen getroffen werden. Daher schätzen wir das Risiko einer Rezession in den USA als gering ein, zumal der Arbeitsmarkt nach wie vor solide ist und die Energiepreise unter Kontrolle sind.
Insgesamt bleiben wir für Aktien positiv gestimmt, sehen jedoch Risiken in Richtung einer Stagflation in den USA, da die verzögerten Auswirkungen der Zölle allmählich auf die Wirtschaft durchschlagen.
Das größte Hindernis für die Aktienmärkte ist jedoch die Frage, inwieweit die Anleihemärkte die steigende Verschuldung aufgrund höherer Staatsausgaben verkraften können. James Carville, politischer Berater von Präsident Clinton, sagte einmal: „Ich würde gerne als Anleihemarkt zurückkommen. Dann könnte man alle einschüchtern.“
Bislang hat die Trump-Regierung den Anleihemarkt beachtet und scheint die Bedeutung seiner Stabilität verstanden zu haben. Die Inflationserwartungen sind weiterhin unter Kontrolle. Insgesamt sind die Anzeichen nach wie vor positiv, aber es gibt einige Trends, die ich im Auge behalte:
• Erstens die Versteilerung am langen Ende der Zinsstrukturkurve. Die Renditen längerfristiger Anleihen steigen schneller als die Renditen kurzfristiger Anleihen, was darauf hindeutet, dass die Sorgen um die Ausgaben allmählich in den Anleihebewertungen eingepreist werden. Es besteht kein Zweifel, dass das lange Ende der Kurven volatiler wird.
• Zweitens müssen wir beobachten, wie Trump mit der Federal Reserve (Fed) umgeht. Eine glaubwürdige Zentralbank ist für einen gut funktionierenden Anleihemarkt unerlässlich, und wie die Nachfolge von Fed-Chef Powell geregelt wird, steht unter aufmerksamster Beobachtung.
Angesichts der steigenden Verschuldung sehen wir Anleihen weiterhin als hilfreiche Renditequelle, jedoch nicht als Diversifikationsinstrument. Wie wir bereits mehrfach gesagt haben, bevorzugen wir hierfür Gold.
Abschließend noch ein Wort zum US-Dollar. In Gesprächen mit Kunden aus aller Welt stelle ich fest, dass strategische Allokationen in den US-Dollar offenbar überprüft werden. Nach Jahren starker Outperformance der USA ist das Ausgangsniveau des US-Dollar-Engagements recht hoch, und viele erkennen, dass eine gewisse Diversifizierung notwendig ist. Diese Umschichtungen werden jedoch Zeit brauchen. Der US-Dollar bietet nach wie vor eine beispiellose Liquidität, daher sollte man diese Entwicklung nicht überbewerten.
Wie immer ist es für Anleger wichtig, sich trotz der täglichen Schlagzeilen auf die mittelfristigen Trends zu konzentrieren. Der politische Konsens hat sich verschoben, die Korrelationen zwischen den Anlageklassen haben sich verändert, die Unternehmen, in die wir investieren, sind Umbrüchen ausgesetzt, aber in vielerlei Hinsicht ist unsere Aufgabe als aktive Manager dieselbe wie immer: Wir recherchieren die Fundamentaldaten von Unternehmen und Ländern, betrachten Risiken aus allen Blickwinkeln, treffen Entscheidungen unter Unsicherheit und sind wachsam, aber geduldig in unserem Streben nach überdurchschnittlichen Renditen.
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