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Und es kam schlimmer…

von Kai Jordan, Vorstand der mwb Wertpapierhandelsbank AG

Die gegenwärtige Situation an den Märkten ist geprägt von den drastischen Entzugserscheinungen ausgelöst durch eine restriktive Geldpolitik, die in einem historisch einmaligen Tempo umgesetzt wird. Wir haben die Problematik aus einem anderen Umfeld heraus in 2021 und zu Jahresbeginn 2022 zum Beispiel in unserem Beitrag www.bondguide.de/topnews/mwb-kapitalmarkt-standpunkt-auf-turkey/ behandelt.

Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat dann aber die Inflationsraten durch die Decke gejagt und nun sehen wir trotz der ersten Basiseffekte bei den Energiepreisen die Angst vor Sekundäreffekten (Lohn-Preis-Spirale). Und die restriktive Geldpolitik setzt die Wirtschaft und die Märkte langsam auf Entzug. Und Entzug ist schmerhaft für den Abhängigen – bis er neuen Stoff bekommt. Im Vorkriegsumfeld sind wir aber eher davon ausgegangen, dass die alte Kölsche Weisheit gilt: „et hätt noch immer jot jejange“ und „es könnte schlimmer kommen“.

Doch siehe da: „es kam schlimmer“.

Die Abschreibungen vieler Banken bei den Beständen in festverzinslichen Wertpapieren sind alleine im Inland schon beeindruckend. In den meisten Fällen sind die Institute und das System aber so stabil, dass man diese Situation im Allgemeinen als temporär betrachtet.

Allerdings ist es eben so, dass zuerst immer die schwächsten Glieder einer Kette reißen. Bei den Immobilienunternehmen hatten wir das bereits gesehen und bei den Banken sind es eben solche die Fehler machen bzw. bei denen es langfristige strukturelle Defizite gibt. Das Problem der Credit Suisse entstand nicht ausschließlich durch die Marktsituation. Man kann aber sehr gut sehen, wie wichtig die Einhaltung nachvollziehbarer Grundsätze geschäftlicher Ethik im Banking geworden ist. Und hier ist ein Vertrauensverlust entstanden, der sich sehr langfristig aufgebaut hat und in diesem schwierigen Umfeld einfach nur viel deutlicher zum Tragen kommt. Wer wissen will, was wir meinen braucht sich nur die wöchentliche Meldungslage des Hauses der letzten 24 Monate anschauen. Geldwäschevorwürfe und Compliance-Themen in einem Haus das auch als erste Anlaufstelle für russische Oligarchen galt.

Wir wollen keine Verschwörungstheorien in die Welt setzen, aber dass die CS am 09.03. eigentlich den Geschäftsbericht veröffentlichen wollte und das am Morgan aufgrund noch offener Fragen der SEC verschiebt, fanden wir an diesem Tag schon spannend. Und offensichtlich gab es ja Gründe, dass die 50 Mrd. CHF Liquiditätshilfe der SNB nahezu verpufft ist und hinten und vorne nicht gereicht hat.

Man muss wohl auch davon ausgehen, dass bei einer Zwangsfusion dieser Größenordnung eine internationale Abstimmung mit den Amerikanern stattgefunden hat. Im internationalen Wettbewerb haben die beiden Schweizer Großbanken mit dem starken Heimatmarkt im Rücken (40 % des „World-Wide-Wealth“ lagen jedenfalls vor einigen Jahren noch in den Tresoren von Schweizer Instituten ) den angelsächsischen Instituten starke Konkurrenz gemacht und US-Regulierungen wie FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) sind das Resultat davon. Das haben die USA auch immer mit auf der Agenda.

Die UBS hatte allerdings unter Axel Weber schon seit der Finanzkrise 2008/09 mit dem Umbau des Geschäftsmodelles vom Investmentbanking weg hin zu mehr Asset-Management begonnen und war dem Mitbewerber hier unseres Erachtens weit voraus. Nun bekommt sie die CS auf Entzug zu jedenfalls auf den ersten Blick sensationell günstigen Bedingungen. Aber wir wissen nicht, was wirklich hinter den Kulissen und auf den Konten der CS los war.

Klar ist allerdings, dass diese Entwicklung vor den Gerichten überprüft werden wird und das wird dauern. Das diese Zwangsfusion ohne HV-Beschluss und bei Totalverlust der eigenkapitalähnlichen AT1- Bankanleihen durchgezogen wird, müssen viele Eigentümer der Papiere (die AT1-Bonds dürfte ja weniger bei anderen Banken als bei Vermögensverwaltern und Pensionskassen liegen) für diese Situation vermutlich eine gerichtliche Klärung der Rechtmäßigkeit herbeiführen. Da muss deutlich mehr Druck auf dem Kessel gewesen sein, als uns die Kennzahlen glauben machen sollten. Was bei derartigen Gerichtsverfahren im Land wo mittlerweile die Uhren genauer gehen als die Bankbilanzen herauskommen kann, wagen wir nicht zu prognostizieren.

Was bedeutet das nun für unsere Markteinschätzung. Wir glauben zwar, dass sich die Situation nun erstmal wieder beruhigen wird. Solche Mega-Bauchklatscher sind in der Regel das Ende solcher Entwicklungen und die Airbags sind nun doch sehr gut ausgepolstert. Die Schweiz hat nun ein Bankmonster „FAR TOO BIG TOO FAIL“ und damit muss sie sorgfältig umgehen, denn hier stehen Volumina zur Debatte, die für das Land recht groß sind. Der Staat hat hier nun deutlich die Finger drauf und die Amerikaner werden das ganze ebenfalls sorgfältig monitoren. Ob der Kometeneinschlag bei den AT1-Bonds durch den Ausfall der CS-Papiere diesen Markt dauerhaft beschädigen wird, bezweifeln wir. Hier hat die EZB für den Rest Europas sofort klar Position bezogen. Aber fürs erste war das ein Schlag ins Kontor und mancher im Markt spekuliert auf weitere Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe.

Nun möchten wir nicht in der Zwickmühle der Zentralbanken stecken. Die Kollateralschäden durch die Inflationsbekämpfung werden weiter zunehmen und insofern können weitere Zinsschritte nur noch mit Augenmaß vorgenommen werden. Denn sonst könnte es noch schlimmer kommen.

Unsere Prognose: die neue 2 heißt 4.

Und das bezieht sich auf die mittelfristig zu tolerierenden Inflationsraten. Das wird ein schmaler Grat und niemand gibt es zu. Rhetorik, Rhetorik.

Welche sind dann die Asset-Klassen, die einem Investor in dieser Welt weiterhelfen? Sind es die Bundesanleihen, deren Preise nun so heftig nach oben korrigiert haben mit einem negativen Realzins von 2 plus x? Hier geht es nicht um „return on equity“ sondern um „return of equity“. Sind es Industriepapiere die oft viel höhere Kupons haben? Hier gilt weiter „trau, schau, wem“.

Bei vielen kursverfallenen Papieren aus dem Immobiliensektor sind die Renditen astronomisch. So denn die Kapitaldienste geleistet werden können. Hier wird das Jahr noch einiges an Erkenntnissen liefern. Wir haben da ein Auge drauf. Oder ist die (Wohn)- Immobilie bei allen möglichen Verwerfungen doch das richtige Investment? Bei den paar Wohnungen, die hierzulande gebaut werden und die dann auch den künftigen Standards entsprechen dürfte das sicher der Fall sein. Die Multiples gehen zwar zinsinduziert zurück, aber die Mieten dürften weiter steigen. Allerdings clustern sich die Segmente deutlich auf. Treiber sind wie gesagt die kommenden, regulatorischen Anforderungen und die Lagen. Für Büroraum gilt ähnliches.

Wenn die Märkte sich irgendwann einpendeln, wird man es sehen. Und die Unternehmen, die sich damit beschäftigen, könnten dann davon mittelfristig profitieren. Ausgewählte Aktien können einen guten Inflationsschutz bieten, wenn die Unternehmen die Kostensteigerungen wiederum auf ihren Preisen weitergeben können.

Ganz so schlimm, wie es letzte Woche aussah kommt es nicht. Ruhe bewahren. Am Jahresende wird abgerechnet.

Zu mwb:
Die mwb fairtrade Wertpapierhandelsbank AG ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zugelassener Wertpapierdienstleister mit Niederlassungen in Gräfelfing bei München, Hamburg, Hannover, Frankfurt und Berlin. Das Unternehmen wurde 1993 gegründet. 1999 erfolgte der Börsengang. Heute ist die mwb-Aktie (ISIN DE0006656101, WKN 6656101) an der Börse München im Segment m:access notiert wie auch im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (Basic Board), Hamburg und Stuttgart. mwb ist in zwei Geschäftsbereichen aktiv: Wertpapierhandel und Corporates & Markets. Im Wertpapierhandel betreut mwb rund 46.000 Orderbücher für deutsche und internationale Wertpapiere. Dabei handelt es sich sowohl um Aktien als auch um festverzinsliche Wertpapiere und offene Investmentfonds. Damit ist mwb einer der größten Skontroführer in Deutschland.

https://www.fixed-income.org/
Foto: Kai Jordan © mwb Wertpapierhandelsbank AG


 

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