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Vetrauensverlust in die USA: Profitieren europäische Anleihen? Weltweiten Belastungsfaktoren so zahlreich wie nie zuvor

von Johann Plé, Senior Portfolio Manager bei AXA Investment Managers

Johann Plé © AXA Investment Managers

In den letzten Jahren hat man mit Anleihen gut verdient, und die Verluste des schwierigen Jahres 2022 wurden mehr und mehr wett­gemacht. Die Entwicklung war aber nicht linear. Jetzt hat eine volatilere Phase begonnen, vor allem aufgrund der stärkeren Zins­schwan­kungen.

Diese Volatilität ist die Folge der höheren Unsicher­heit seit dem Umschwung der Geldpolitik. Für die Märkte kam sie überraschend. Der Ausblick Anfang 2025 schien viele Gewiss­heiten zu enthalten. Trumps Deregu­lierungs- und Steuer­senkungs­pläne würden die Ausnahme­stellung der USA bestätigen, Europa würde (auch wegen eines möglichen weltweiten Handelskriegs) weiterhin nur mäßig wachsen, und niemand machte sich Sorgen um die Preisstabilität.

All diese scheinbaren Gewissheiten zählen aber nicht mehr. Stattdessen scheinen die Belastungsfaktoren so zahlreich wie nie zuvor. Trotz der höheren Volatilität scheinen die Märkte wie eingefroren. Sie bewegen sich im Wesentlichen seitwärts, zumal niemand weiß, wohin sich die Zinsen mittelfristig entwickeln.

Bei Seitwärtsbewegungen sollte man sich meist genau überlegen, was man weiß und was nicht.

Was wir wissen

•  Im Vergangenheitsvergleich sind die Renditen attraktiv. Die deutsche Zehnjahresrendite beträgt noch immer knapp 2,60%, die US-Zehnjahresrendite 4,30%.

•  Nie war die Differenz zwischen Anleihen- und Dividendenrendite so klein.

•  Die Zinsstrukturkurven sind sehr viel steiler geworden, was Anleihen gegenüber Geldmarktfonds wieder attraktiver gemacht hat.

•  Bei einer steigenden Risikoaversion haben Anleihen die Verluste risikobehafteter Wertpapiere zuletzt wieder besser abgefedert.

•  Die Spreads sind eng, bei Investmentgrade- und High-Yield-Anleihen liegen sie fast auf einem 10-Jahres-Tief. Die Renditedifferenz zwischen High Yield und Investmentgrade ist ebenfalls extrem niedrig; offensichtlich werden Anleger für zusätzliche Risiken zurzeit nicht gut entschädigt. Die hohen Absolutrenditen machen die Assetklasse aber weiterhin interessant.

Was wir nicht wissen

Weltpolitik

Die Spannungen im Nahen Osten sind eskaliert. Der Iran und Israel haben zwar einen Waffenstillstand angekündigt, doch hat bislang nur etwa die Hälfte aller Waffenstillstände im Nahen Osten gehalten. Unterdessen geht der Krieg zwischen Russland und der Ukraine weiter und könnte sogar zu einer Entfremdung zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten führen. Europa muss dann noch mehr in die Verteidigung investieren. Schwächere Staatsfinanzen, höhere Anleihenemissionen und damit auch steigende Renditen wären die Folgen.

Höhere Ölpreise könnten die Renditen ebenfalls steigen lassen, da sie die Inflation treiben.

Zölle

Der Handelskrieg geht weiter. Wir wissen nicht, worauf man sich am Ende einigt, was Zins- und Wachstumsprognosen schwierig macht. Einerseits könnten Handelsvereinbarungen gut für risikobehaftete Wertpapiere sein. Sie könnten die Renditen steigen lassen, wenn mit mehr Wachstum und Inflation gerechnet wird. Das Gegenteil – niedrigere Renditen und weitere Spreads – ist aber ebenfalls denkbar. Schließlich könnte das Wachstum auch nachlassen, und selbst bei einer Einigung bleibt offen, ob die Verträge eingehalten werden.

„Entdollarisierung”

Die USA scheinen kein vertrauenswürdiger Verbündeter mehr zu sein. Das könnte eine konstruktive Zusammenarbeit erschweren, in der Wirtschaft wie in der Politik. Auch könnten immer mehr Anleger amerikanischen Wertpapieren vorsichtshalber den Rücken kehren. Das wäre gut für europäische Anleihen – und schlecht für amerikanische.

Haushaltsausblick

In Europa wie in den USA könnten sich die Staatsfinanzen wegen höherer Verteidigungsausgaben oder Steuersenkungen weiter verschlechtern. Auch wenn das Anleger nicht überraschen dürfte, könnte das die Anleihenrenditen steigen lassen.

Geldpolitik

Die Europäische Zentralbank und die Federal Reserve scheinen angesichts der Datenlage mit dem aktuellen Zinsniveau zufrieden. In diesen unsicheren Zeiten sind beide Notenbanken bei Bedarf aber auch zum Handeln bereit. Die Fed könnte auf eine schlechtere Arbeitsmarktlage reagieren, und ein plötzlicher Inflationsanstieg könnte ihre Forward Guidance beeinflussen.

All diese weltpolitischen Krisen, Handelskriege und Haushaltsprobleme könnten die Notenbanken zum Handeln zwingen.

Und dann ist da noch etwas anderes: Wenn Trump wirklich vorzeitig einen neuen Notenbankchef ernennt, würde das Vertrauen kosten. Trump kritisiert Powell und die Fed schon länger. Der oberste Gerichtshof hat zwar eine Entlassung Powells verhindert, doch dürfte das Trump keineswegs an neuen Einmischungen hindern. Selbst wenn er damit nicht direkt Einfluss auf die Geldpolitik nimmt, könnte man am Markt doch mit einer stärkeren Lockerung rechnen. Die Inflationserwartungen könnten dann steigen, die Zinsstrukturkurve würde noch steiler.

Das meiste, was wir wissen, stimmt uns für Anleihen optimistisch – im Vergleich zur Vergangenheit wie auch zu anderen Assetklassen. Die engen Spreads und die hohe Unsicherheit sprechen aber für Diversifikation. Ohnehin haben die meisten Unsicherheitsfaktoren ein- und denselben Grund: Die USA werden immer unzuverlässiger. Das macht eurodenominierte Anleihen umso interessanter.

Bei den meisten Unbekannten sind gegensätzliche Entwicklungen möglich, sodass eine Prognose umso schwieriger ist. Für langfristige Investoren können solche kurzfristigen Unbekannten aber Chancen sein. Sie können von ihnen profitieren, wenn die Lage irgendwann klarer wird. Der Weg dorthin verläuft aber nicht linear. Mit aktiven und flexiblen Durations- und Allokationsentscheidungen dürfte man klar im Vorteil sein. 

www.fixed-income.org


 

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