Der Fall scheint eindeutig zu sein. Die aktuellen Daten zum US-Arbeitsmarkt deuten auf eine anhaltende Schwäche hin, während die Inflation keine signifikante Weitergabe der Zölle an die Konsumenten zeigt. Die Unternehmen scheinen einen Teil des Preisdrucks aufzufangen. Das könnte sie dazu veranlassen, ihre Kosten (Personal) zukünftig genauer im Blick zu behalten. Die Stimmungsindikatoren stützen diese Einschätzung. Soweit, so gut – die Argumente für eine Senkung um 25 Basispunkte bei der bevorstehenden Sitzung im September scheinen stichhaltig zu sein. Wir glauben jedoch, dass die Sitzung noch mehr zu bieten hat. Offengeblieben sind die Fragen, wie weit die Mitglieder des Offenmarktausschusses mit ihren taubenhaften Signalen gehen wollen, wie sich diese Signale in ihren Prognosen widerspiegeln werden und wie Fed-Chef Powell die Entscheidung erklären wird. Handelt es sich um eine falkenhafte Zinssenkung zur Absicherung des Arbeitsmarktes? Oder gibt es Hinweise auf eine Reihe von Zinssenkungen, wie einige Fed-Vertreter angedeutet haben? Trotz der günstigen Daten sollte das Risiko einer höheren Inflation in Zukunft nicht außer Acht gelassen werden. Irgendwann könnten Unternehmen ihre Margen durch Preiserhöhungen schützen. Darüber hinaus könnten potenzielle Engpässe bei qualifizierten Arbeitskräften und ausgelastete Kapazitäten aufgrund massiver (angekündigter) Investitionen – sofern diese tatsächlich getätigt werden – ebenfalls höhere Preise in der Zukunft bedeuten. In einem anderen möglichen Szenario könnte eine schwächere Nachfrage, die die Inflationssorgen vollständig beseitigt, zu einer deutlich höheren Arbeitslosenquote führen. Eine Kombination dieser beiden Szenarien wäre eine Stagflation, die für die Zentralbanker die größte Herausforderung darstellen würde. Wie in den 1970er Jahren wäre die Strategie zunächst, die Inflation einzudämmen und anschließend die Wirtschaft zu stützen.
Angesichts dieser Risiken wird es für die Zentralbanker schwierig, einen ausgewogenen Ton zu finden. Die Märkte haben hingegen eine klarere Vorstellung: Die Fed wird die Zinsen bis 2026 auf ein neutrales Niveau oder leicht darunter senken. Wir erwarten jedoch einen moderateren Ansatz von Fed-Chef Powell. Aufgrund der unsicheren Aussichten und des damit verbundenen erhöhten Risikos eines geldpolitischen Fehlers erscheint uns ein datenabhängiger Ansatz sinnvoller. Schließlich könnte der bald scheidende Fed-Chef Powell bestrebt sein, sein Vermächtnis zu schützen und trotz aller Widrigkeiten eine sanfte Landung der Volkswirtschaft erreicht zu haben. Angesichts der laufenden Gespräche über seine Nachfolge wird es jedoch höchstwahrscheinlich erneut Abweichler geben, die sich für Senkungen von mehr als 25 Basispunkten aussprechen könnten.
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